Männer setzen auf Versöhnung

Ob Fußball, Tennis oder Boxen - ein Handschlag ist der Schlusspunkt jeder sportlichen Auseinandersetzung. Forschern zufolge widmen männliche Sportler solchen versöhnlichen Gesten mehr Zeit als weibliche. Ausgerechnet ihr kriegerisches Erbe soll dafür verantwortlich sein.

Tief drinnen ist der Mann - zumindest nach Ansicht mancher Evolutionspsychologen - noch immer ein Krieger. Die Psychostruktur verdanke er seinem kriegerischen Erbe: Im Kampf gegen Feinde gilt es möglichst effizient mit seinesgleichen zusammenarbeiten. Nach einem Konflikt jedoch will er den friedlichen Umgang mit dem Feind möglichst rasch wiederherstellen, um sich in Zukunft bei Bedarf verbünden zu können.

Laut Joyce F. Benenson und Richard W. Wrangham von der Harvard University sollen Männerseilschaften deswegen noch heute besser funktionieren, und Männer bei zwischenmenschlichen Konflikten im Allgemeinen weniger nachtragend sein.

Wie die Schimpansen

„Wir glauben, dass die menschliche Sozialstruktur im Kern jener von Schimpansen gleicht“, so Benenson in einer Aussendung. Laut der Psychologin kooperieren die Affenmännchen in größeren Gruppen mit nicht verwandten Geschlechtsgenossen, Weibchen hingegen investieren mehr in den innerfamiliären Zusammenhalt.

Wie die Forscher in ihrer aktuellen Studie schreiben, finden sich diese unterschiedlichen Muster bereits in der kindlichen Entwicklung des Menschen: Buben organisieren sich eher in größeren Verbänden, Mädchen hingegen suchen wenige gute bzw. eine beste Freundin. Und weil sie so unterschiedlich sozial orientiert sind, gehen die beiden Geschlechter auch ganz anders mit Konflikten um - so die These der beiden Forscher.

Der Moment der Versöhnung

Als Modell für Konflikte wählten die Forscher die sportliche Auseinandersetzung. Insgesamt analysierten der Evolutionsbiologe und die Psychologin Videoaufnahmen von fast zweihundert Wettkämpfe von Sportlerinnen und Sportlern aus 44 Nationen, und zwar in Tennis, Tischtennis, Badminton und Boxen.

Genau genommen untersuchten sie nicht das Kräftemessen an sich, sondern die Augenblicke danach - wenn die Siegerin bzw. der Sieger den Verlierern die Hand reicht. Die Forscher erfassten nicht nur die Länge dieser versöhnlichen Geste, sondern auch zusätzliche Berührungen wie Umarmungen oder Schulterklopfer.

Kriegerisches Erbe

Über die verschiedenen Sportarten hinweg zeigte sich ein statistisch signifikanter Verhaltensunterschied zwischen Männern und Frauen, egal aus welcher Nation die Beteiligten stammten, besonders ausgeprägt war der Unterschied übrigens beim kampfähnlichsten Sport, dem Boxen.

Die männlichen Athleten widmeten dem Versöhnungsritual mehr Zeit und ergänzten den Handschlag um andere freundschaftliche Gesten. Die Sportlerinnen hingegen beschränkten den friedlichen Kontakt laut den Forschern auf das Notwendigste.

Bemerkenswert sei dieser Umstand auch insofern, als Frauen einander normalerweise häufiger berühren als Männer. Der Konflikt kehrt diese Tendenz anscheinend um. Laut den Forschern bringt er einfach das kriegerische Erbe der Männer ans Licht. Es zwingt sie nach einem geschlagenen Kampf zu freundlichen Signalen: Sie sollen die Versöhnung beschleunigen, damit aus einem ehemaligen Feind in Zukunft wieder ein Verbündeter werden kann.

Eva Obermüller, science.ORF.at

Mehr zum Thema: