Atomkerne sind kleiner als gedacht

Was, wenn sich herausstellt, dass ein Meter plötzlich nur 99 Zentimeter misst? Mathematiker und Architektinnen wären schockiert. So ähnlich geht es gerade Atomphysikern: Protonen und einfache Atomkerne sind laut ihren Messungen kleiner als bisher gedacht.

Eigentlich ist es ein sehr gewöhnliches Teilchen, das in jedem Atomkern in uns und um uns herum vorkommt. Und doch gibt das Proton Physikern seit 2010 Rätsel auf.

Ein internationales Forscherteam vom Paul Scherrer Institut (PSI) in der Schweiz hatte damals Protonen per Laserspektroskopie neu vermessen und festgestellt, dass ihr Radius kleiner ist als bei früheren Messungen. Heute, sechs Jahre später, haben sich die Zweifel verstärkt.

Diesmal vermaßen die Schweizer Forscher das Deuteron – den Atomkern des schweren Wasserstoffisotops Deuterium, der aus einem Proton und einem Neutron besteht. Auch bei diesem zeigte sich ein kleinerer Radius als bisher angenommen.

Teil der Laseranlage, die für das Experiment zur Bestimmung der Deuterongrösse benötigt wird

Paul Scherrer Institut/A. Antognini und F. Reiser

Teil der Laseranlage, die für das Experiment zur Bestimmung der Deuterongrösse benötigt wird

Messmethoden überprüfen

Woran liegt das? Waren frühere oder die aktuellen Messmethoden verfälscht oder gar eine unbekannte physikalische Kraft am Werk? „Dass unsere Methode, die Laserspektroskopie, fehlerhaft ist, glaubt inzwischen niemand mehr aus der Community“, betonte PSI-Physiker Aldo Antognini in einer Mitteilung vom Donnerstag. "Natürlich kann es nicht sein, dass das Deuteron - genauso wenig wie das Proton - zwei verschiedene Größen hat.“

Deshalb suchen Physiker nach einer Erklärung für die rätselhaften Größenunterschiede. Eine bisher unbekannte physikalische Kraft wäre zwar ein aufregendes Szenario, aber auch ein unwahrscheinliches, schrieb das PSI.

Wahrscheinlicher ist, dass bei früheren Messungen, die zum Teil auf Wasserstoffspektroskopie beruhten, ein systematisches Problem bestand. Deshalb rüsten Forschende weltweit ihre Messinstrumente auf, um größere Messgenauigkeiten zu erreichen.

Aktuell sind Forschungsgruppen in München, Paris und Toronto dabei, genauere Werte via Wasserstoffspektroskopie zu ermitteln. Deren Ergebnisse werden für die kommenden Jahre erwartet.

Sollte sich der Verdacht auf einen systematischen Fehler bei früheren Messungen bestätigen, müssten die sogenannte Rydbergkonstante - eine Grundkonstante in der Physik - und womöglich weitere Naturkonstanten minimal korrigiert werden.

science.ORF.at/APA/sda

Mehr zu dem Thema: