Eine Maschine, die alles kann

Brücken, Flugzeuge und Teleskope - Roboter, die alles bauen können, ohne menschliche Hilfe? Für manche eine spannende Utopie, andere fürchten, dass Menschen so überflüssig werden könnten. In zehn Jahren könnte eine solche Maschine Wirklichkeit sein.

Viele haben in ihrer Kindheit mit Legosteinen gespielt - Pyramiden gebaut, einen Hubschrauber aus bunten Bausteinen gebastelt oder ein kleines Dorf zusammengesteckt. Es gibt unzählige Möglichkeiten, Legosteine zu kombinieren, sie auseinander zu nehmen und zu einem anderen Gegenstand wieder zusammenzufügen.

So ähnlich stellt sich Matthew Carney vom MIT die Zukunft der Dinge vor - egal ob Tragflächen von Flugzeugen, Weltraumteleskope im All oder schlichte Sessel: „Wir wollen ein System kreieren, das fast alles bauen kann und zwar überall und autonom“, so Carney gegenüber science.ORF.at. Anstatt Bausteinen verwenden er und seine Kollegen jedoch Dreiecke.

Zur Person

Matthew Carney studierte Maschinenbau in München und Kalifornien und forscht derzeit im Rahmen seines PhDs am Massachusetts Institute of Technology MIT am Zentrum für Bits und Atome. Am 25.8. stellt Carney seine Forschung bei den Technologiegesprächen in Alpbach vor.

Dreieck auf Dreieck

„Vereinfacht gesagt entsteht ein Haufen Dreiecke, die im Kleinen Oktaeder oder andere Formen ergeben und im großen Ganzen zum Beispiel eine lange Brücke, die über den Ozean geht. Sollte man aus irgendeinem Grund so etwas bauen wollen, ginge das.“

Bauarbeiter würde man auf dieser Baustelle vergeblich suchen. Vielmehr sind es viele kleine Roboter, die sich Dreiecke aufladen und sie am Weg von Europa nach Nordamerika beispielsweise Stück für Stück zusammensetzen. „Eine Brücke oder Gerüste aus Dreiecken oder anderen geometrisch geformten Stahlteilen gibt es im Grunde schon seit langem“, erklärt der Maschinenbauer. Einer herkömmlichen Brücke liegt allerdings die Arbeit eines Architekten zugrunde, der eine mechanisch und optisch ausgeklügelte Brücke für die jeweilige Anforderung entwirft - hier liegt ein wesentlicher Unterschied.

In Carneys Vision übernehmen diese Aufgabe zum Teil Roboter bzw. Computerprogramme: „Wir arbeiten gerade an einer Software, die schon während des Zeichnens der Brücke erkennt, was ich machen möchte. Idealerweise gebe ich als Architekt sogar nur die Parameter ein – Länge der Brücke, Optik, Ort etc. und die Software zeigt mir die mechanisch und physikalisch besten Baumöglichkeiten, an die ich vielleicht nicht gedacht habe“, so Carney.

Selbständige Roboter bauen und reparieren

Auch die Bauroboter würden autonom entscheiden, wie sie dann die Dreiecke bestmöglich zusammensetzen, um das Bauziel zu erreichen. Dasselbe gilt für den Fall, dass an einer Stelle ein Schaden entsteht. Auch hier könnten die Maschinen die Dreiecke so austauschen, dass die Gesamtkonstruktion nicht zusammenbricht, erläutert der Forscher. „In Zeiten, wo Ressourcen knapp sind, ist das ein wichtiger Punkt, wenn man nur kleine Teile im Kern ersetzen und nicht beispielsweise einen ganzen Flugzeugarm erneuern muss, so wie das heute notwendig ist.“

Bis jetzt sind sowohl die Bauroboter als auch die entsprechende Software nur eine Vision – wenngleich eine sehr konkrete. In fünf Jahren könnte es erste Prototypen geben, bis die Technologie tatsächlich angewendet werden kann, wird vermutlich noch zehn Jahre dauern, schätzt Carney.

Technologiegespräche Alpbach

Von 25. bis 27. August finden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion. Das Thema heuer lautet „Neue Aufklärung“.

Segen oder Fluch

Auf die Frage, ob eine solche vom Menschen beinahe losgelöste Bauweise Utopie oder eher Dystopie wie bei der Terminator-Filmreihe ist, antwortete Carney: „Das ist die allerwichtigste Frage, die wir uns immer stellen müssen, wenn wir neue Technologien entwickeln: Wollen wir das wirklich? Wir müssen uns vor Augen halten, ob die Technologie nicht sogar mehr Ressourcen verbraucht und somit das Leben auf der Erde auf lange Sicht nicht verbessert oder erleichtert, sondern verschlechtert und uns abhängig macht.“

Wie seine Dreieck-Lego-Technik letztlich hier einzuordnen ist, wird sich noch zeigen. „Fest steht, dass der Mensch weiterhin entscheiden muss, was die beste Bauweise unter den vorgeschlagenen ist und wie die Brücke oder die Flugzeugtragflächen aussehen und welche Funktion sie haben – das dürfen wir nicht den Computern überlassen.“

Ruth Hutsteiner, science.ORF.at

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