Experten plädieren für „Anthropozän“

Der Einfluss der Menschen auf die Erde ist so groß, dass es gerechtfertigt ist, die Gegenwart „Menschenzeitalter“ zu nennen: Darüber haben Experten lange diskutiert, nun haben sie sich geeinigt.

Eine zur Prüfung der Frage eingesetzte Arbeitsgruppe plädierte am Montag auf dem Internationalen Geologischen Kongress im südafrikanischen Kapstadt mit überwältigender Mehrheit dafür, den Begriff einzuführen. Bis der Begriff des Menschenzeitalters tatsächlich in die geologische Zeitskala übernommen wird, dürften aber Jahre vergehen.

“Geologisch dauerhaft und unumkehrbar“

Geologen teilen die Erdgeschichte in verschiedene Zeitalter ein. Demnach lebt die Menschheit derzeit im Holozän, das vor knapp 12.000 Jahren nach dem Ende der letzten Eiszeit begann. Die 35-köpfige Arbeitsgruppe plädiert mit 34 Stimmen bei einer Enthaltung dafür, dass das Holozän seit Mitte des 20. Jahrhunderts beendet ist. Zu der Arbeitsgruppe gehört auch Michael Wagreich von der Universität Wien.

Geprägt wurde der Begriff „Anthropozän“ im Jahr 2000 von dem US-Biologen Eugene Stoermer und dem niederländischen Meteorologen und Chemienobelpreisträger Paul Crutzen. Seitdem wird das Wort oft verwendet, aber nicht als offizielle Epoche.

Zu den Veränderungen durch den Menschen zählten neben dem Klimawandel die großräumigen Veränderungen der Kreisläufe etwa von Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor, die Verbreitung von Plastik, Aluminium, Betonpartikeln, Flugasche und radioaktivem Fallout sowie die beispiellose globale Verbreitung von Tier- und Pflanzenarten. „Viele dieser Veränderungen sind geologisch dauerhaft und manche sind praktisch unumkehrbar“, schreibt die Arbeitsgruppe.

Beginn des Anthropozäns: Mitte des 20. Jahrhunderts

Das Votum der Arbeitsgruppe ist keine Überraschung. Umstritten war allerdings, wann das Menschenzeitalter beginnen sollte: Vorschläge waren unter anderem die Entdeckung Amerikas oder der Start der Industrialisierung. Die Arbeitsgruppe schlägt als Beginn - ebenfalls mit großer Mehrheit (28 Stimmen) - die Mitte des 20. Jahrhunderts vor. Ein wichtiges Datum wäre der erste Atombombentest am 16. Juli 1945, dessen Folgen sich auf der Erdoberfläche weltweit nachweisen lassen.

In den kommenden zwei bis drei Jahren wollen die Wissenschaftler klären, welche in den Erdschichten abgelagerten Stoffe als Referenz für das neue Erdzeitalter dienen sollen. Dies könne etwa eine Kombination von Kunststoff, Rückständen aus Atomwaffentests oder von Flugasche aus industrieller Produktion sein, sagte Reinhold Leinfelder von der Freien Universität Berlin, der der Arbeitsgruppe angehört, der Deutschen Presse-Agentur.

Dieser Vorschlag muss dann von der Subcommission on Quaternary Stratigraphy und danach von der Internationalen Kommission für Stratigraphie bestätigt werden. Im letzten Schritt muss das Exekutivkomitee der International Union of Geological Sciences den Vorschlag ratifizieren.

science.ORF.at/dpa

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