Körpersprache: Lehrer unter Druck

Zur Motivation ihrer Schüler sollten Lehrer auch glaubhafte nonverbale Botschaften übermitteln. Das fällt den Pädagogen im heutigen Schulsystem aber oft schwer. Der Druck auf die Lehrer ist in ihrer Körpersprache erkennbar, wie Videoanalysen zeigen.

Wie die Körpersprache den Unterricht beeinflusst, werde überraschend selten wissenschaftlich untersucht, so der Leiter des Instituts für Schulpädagogik der Universität Graz, Bernd Hackl, zur APA. Vermutlich liege das daran, „dass wir in einer Kultur leben, die den Körper und seine Ausdrucksformen in manchen Zusammenhängen nicht ernst nimmt“. Kinder und Jugendliche könnten diese Signale jedoch tendenziell noch besser deuten.

„Der Schwerpunkt ‚Körpersprache‘ hat sich erst mit der Zeit ergeben, weil wir bemerkt haben, dass das wichtig ist“, sagte der Schulforscher. Mittels umfangreicher Videoanalysen unterschiedlicher Lehrer aus verschiedenen Schulformen haben sich Hackl und sein Team diesem Thema im Rahmen eines vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts angenommen.

Authentische Botschaften gefragt

„Etwas überraschend war für uns, dass die Hauptfunktion des körperlichen Ausdrucks darin besteht, zu rechtfertigen, was pädagogisch geschieht - also, den Schülern gegenüber glaubhaft zu machen, dass - was hier passiert - für sie sinnvoll ist.“ Um das zu leisten, müsse man den Heranwachsenden vermitteln, dass sie im Unterricht gebraucht, anerkannt und einbezogen werden, sie nicht unter Druck gesetzt werden, dass ihnen der Unterricht neue Erkenntnisse bringt und sie der Lehrer an seinen Fähigkeiten zur Problemlösung aktiv teilhaben lässt. Bei alldem spiele die nonverbale Kommunikation eine entscheidende Rolle, so der Forscher.

Besonders wichtig sei, dass Lehrer ihre Botschaften „authentisch inszenieren“ und etwa die Schüler mit echter, sichtbar gezeigter Begeisterung einbeziehen. Hackl: „Trägt das jemand gut vor, kann man das fast körperlich spüren und es ist schwer, sich dem als Schüler zu entziehen.“ Das sei teilweise vergleichbar mit dem Theaterspielen, wo es ebenfalls darum geht, den Inhalt bestmöglich mit dem Körper zu transportieren.

Widersprüchliche Forderungen

In den analysierten Unterrichtseinheiten gelang das jedoch eher selten. Das liege oft nicht daran, dass ein Pädagoge weniger gut für den Job geeignet ist, wie Hackl betonte. Häufig lasse sich am körperlichen Ausdruck nämlich eher ablesen, unter welchem Druck ein Lehrer steht. Selten hätten Pädagogen das Gefühl, auch Fehler machen zu können, ohne dass ihnen das bei PISA-Test, Zentralmatura und Co später auf den Kopf fiele. Darunter, dass einerseits die Schule bei der Selbstentfaltung helfen und andererseits eng umschriebene Kompetenzen nachweisbar vermitteln soll, leide die Performance: „Die Lehrer arbeiten in einer Situation, die widersprüchlich ist und aus der sie nicht hinaus können“, so die Interpretation des Forschers.

Schüler würden wiederum sehr sensibel auf dieses Auseinanderdriften zwischen dem Gesagten und der Körpersprache reagieren und sich vom Unterricht abwenden. Das führe dazu, dass Lehrer auf „opportunistische Strategien“ setzen, indem sie immer mehr „Entertainment-Elemente“ einbauen. Mit der Aussicht auf Spiel- und Unterhaltungsangebote versuchen viele, Aufmerksamkeit für die Sache zu erzielen. Hackl: „Das ist aber eine Strategie, die sehr schlecht aufgeht. Wenn ich in der Mathematikstunde auch spielen darf, bekomme ich nicht mehr Motivation für die Mathematik, sondern eher noch mehr Motivation zu spielen.“

Pädagogen einfach mit Schauspielunterricht unter die Arme zu greifen, sei jedenfalls kein Gegenmittel, denn einen authentischen körperlichen Ausdruck könne man nicht „technisch herbeiführen. Ob er authentisch ist oder nicht, kommt nur durch die wirkliche Haltung des Lehrers zu seiner Tätigkeit zustande“. Die politischen Rahmenbedingungen sollten wiederum dahin gehend verändert werden, dass Pädagogen und Schülern wieder mehr Spielräume eingeräumt werden, resümierte Hackl.

science.ORF.at/APA

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