Forscher berechnen Form von Biomolekülen

Um grundlegende molekulare Mechanismen zu verstehen, die für Medizin und Pharmazie wichtig sind, muss man zuerst die dreidimensionale Struktur von Biomolekülen kennen. Grazer Forscher haben einen Weg gefunden, wie man diese schnell bestimmen kann.

Biomoleküle wie Proteine, RNA oder DNA erfüllen im menschlichen Körper die unterschiedlichsten Aufgaben. Dazu gehören Sauerstofftransport, die Katalyse chemischer Reaktionen, die Speicherung genetischer Information oder die Steuerung von Genen, die an der Kontrolle des Zellzyklus, der Zelldifferenzierung und anderen Zellfunktionen bis hin zum Zelltod beteiligt sind. Entscheidend für ihre Funktion ist dabei ihre räumliche Struktur.

So können etwa gewisse Proteine ihre Zielsubstanz nur deshalb so gut binden, weil diese exakt zugeschnitten - wie ein Schlüssel zum Schloss - in die aktive Bindungsregion des Biomoleküls passt, erklärt Tobias Madl vom Institut für Molekularbiologie und Biochemie der Med-Uni Graz gegenüber der APA. Doch obwohl die Proteine hohe biologische und pharmazeutische Bedeutung besitzen, gelang es bisher nur in wenigen Fällen, ihre genaue Struktur und Funktionsweise aufzuklären.

Rechnerische Prognose

„Die Aufklärung der Raumstruktur von Biomolekülen ist essenziell für die Erforschung menschlicher Erkrankungen und oft der Flaschenhals in der biomedizinischen Forschung“, schildert der Grazer Strukturbiologe Madl. Doch die Bestimmung dieser sogenannten Tertiärstruktur stellt Forscher vor große Herausforderungen. Ein Forscherteam unter seiner Leitung hat einen Ansatz gefunden, wie die dreidimensionalen Strukturen dieser Biomoleküle rechnerisch vorhergesagt werden können.

In der jüngsten Studie der Grazer Forscher zeigte sich, dass bereits eine geringe Menge an experimentellen Daten ausreicht, um rechnerisch Rückschlüsse auf die räumliche Struktur von kleinen Proteinen zu ziehen. Konkret nahmen die Forscher experimentelle Daten für die Oberflächenzugänglichkeit von Proteinen: „Diese Daten geben Auskunft darüber, welche Atome sich innerhalb eines Proteins befinden und welche an der Oberfläche“, wie Madl erläutert. Diese Daten werden dann in einem Computerprogramm verwendet, um kurze Fragmente in eine korrekte dreidimensionale Struktur zu falten.

„Das Vorgehen ist vergleichbar mit einer Statue, die in unzählige Einzelteile zerfallen ist und nur mittels der Information, welche Teile sich außen und innen befinden, wieder in ihre richtige Form zusammengesetzt wird“, erklärt der Wissenschaftler. Zur Messung der experimentellen Daten in atomarer Auflösung verwendeten die Forscher die Kernresonanz-Spektroskopie.

Kombination der Methoden

Dem Team ist es auch gelungen, die experimentellen Daten zur Oberflächenzugänglichkeit mit weiteren Informationen wie u.a. Atomabstand und Orientierung von Atombindungen zu verknüpfen. Gleichzeitig wurden die Rechenzeiten verkürzt. Die Grazer Forscher erhoffen sich dadurch Fortschritte für die Medizin und die biologische Forschung: „Unser Ansatz eröffnet neue Wege zur automatisierten Strukturvorhersage einer Vielzahl von Biomolekülen und kann auch mit anderen Methoden wie Massenspektrometrie oder der Bioinformatik kombiniert werden“, freut sich Madl.

Der gebürtige Steirer ist nach mehrjährigen Forschungsaufenthalten im Ausland nach Graz zurückgekehrt. Seine Gruppe an der Med-Uni Graz arbeitet im Bereich der Strukturbiologie der Signalweiterleitung und Metabolomik. Ziel ist es, die molekularen Mechanismen der Wechselwirkung und Regulation krankheitsrelevanter zellulärer Signalwege aufzuklären.

science.ORF.at/APA

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