Behandlung mit politischer Schlagseite

Was ein Arzt seinen Patienten rät, hängt auch von seinen politischen Ansichten ab, berichten amerikanische Forscher. Zumindest gelte das für in den USA umstrittene Themen wie Abtreibung oder Schusswaffen.

Die politische Gesinnung lässt sich schwer ablegen. Sie beeinflusst unser Verhalten, selbst in Bereichen, die wenig oder gar nichts mit Politik zu tun haben. Studien zufolge prägt sie sogar unsere Partnerwahl oder unser Konsumverhalten. Besonders gut lässt sich dieser Umstand in den USA untersuchen. Durch die Zweiteilung des Landes in ein konservatives und ein liberales Lager, treten Verhaltensunterschiede besonders deutlich zu Tage.

In ihrer aktuellen Arbeit haben Eitan Hersh und Matthew Goldenberg von der Yale University den politischen Einfluss nun an einem - zumindest auf den ersten Blick - überraschenden Ort entdeckt, nämlich in der Ordination von praktischen Medizinern. Anders als bei Spezialisten steht beim Hausarzt das Gespräch mit dem Patienten im Mittelpunkt. Er möchte etwas über dessen Leben und seine Verhaltensweisen erfahren, um den entsprechenden medizinischen Rat erteilen zu können.

Heikle Gesundheitsthemen

Konzentriert haben sich die Forscher in ihrer Erhebung unter mehr als 200 Mediziner auf genau solche Gesundheitsthemen, die mit dem Verhalten zu tun haben: Alkohol, Tabak, Marihuana, Übergewicht, Abtreibung, Schusswaffen, etc.

Anhand kurzer Patientenbeschreibungen mussten die befragten Ärzte die gesundheitliche Relevanz von bestimmten Verhaltensweisen - auf einer Skala von eins bis zehn - einstufen, z.B.: „Ein 38-jähriger Mann ohne gesundheitliche Probleme gibt an, in der Woche 20 alkoholische Getränke zu trinken“, „Eine 28-jährige Patientin erklärt, dass sie zur Entspannung dreimal pro Woche Marihuana konsumiert“ oder „Eine 30-jährige Frau erzählt, dass sie in den letzten fünf Jahren zwei Abtreibungen hatte“.

Wie zu erwarten, haben Demokraten weniger Probleme mit Drogen, Republikaner weniger mit Waffen. Wie die Forscher in ihrer Studie berichten, waren sich demokratische und republikanische Mediziner bei vielen Themen nämlich weitgehend einig, etwa bei der Bewertung von Übergewicht, Alkohol oder Tabak. Aber in drei Bereichen klaffte die Einstufung um bis zu zweieinhalb Punkte auseinander: bei Abtreibungen, Marihuana und bei Schusswaffen - alles Themen, die in den USA besonders politisch besetzt und umstritten sind.

Andere Ratschläge

Die Unterschiede spiegelten sich nicht nur in der Einschätzung des jeweiligen Gesundheitsrisikos, auch im diesbezüglichen Umgang mit den Patienten. Laut den Forschern machen die republikanischen Mediziner ihre Patienten öfter darauf aufmerksam, dass Drogen eine Gefahr für die Gesundheit sind, dass sie den Verbrauch besser senken sollten und dass es auch juristische Probleme damit geben könnte. Nach Abtreibung thematisieren sie die psychischen Probleme und appellieren an die Patientinnen, es nicht noch einmal zu tun. Demokratische Ärzte sorgen sich hingegen häufiger um Schusswaffen. Ihren Patienten legen sie nahe, am besten keine Waffen zu Hause aufzubewahren, den Republikanern reicht es, wenn sie dort sicher verwahrt sind.

Wie die Forscher schreiben, könnten sich die politischen Ansichten der Ärzte auch in anderen Gesundheitsbereichen spiegeln, z.B. wenn es um Genderthemen geht. Patienten sollten sich in jedem Fall bewusst machen, dass der Rat ihres Arztes möglicherweise politisch gefärbt ist, besonders bei heiklen Themen. Schon jetzt rät etwa die „Human Rights Campaign“, die größte US-amerikanische Organisation für die Rechte von Homosexuellen, gezielt nach Ärzten zu suchen, die positiv gegenüber Homo- und Bisexuellen sowie Transgender-Personen eingestellt sind. Es gibt sogar eigene Verzeichnisse.

Eva Obermüller, science.ORF.at

Mehr zum Thema