Wettkampf der Menschmaschinen in Zürich

Was Menschen mit Behinderung bereits heute mit Hilfe modernster Prothesen bewältigen können, soll ein besonderer Wettkampf am Samstag in Zürich zeigen: Beim ersten „Cybathlon“ gehen „Piloten“ aus 25 Ländern an den Start - darunter auch vier aus Österreich.

„In dem Umfang und Stil gab es noch nichts Vergleichbares“, so „Cybathlon“-Initiator Robert Riener. „Die heutigen Assistenzgeräte wie Rollstühle, Krücken, Prothesen oder die neuen Exoskelette sind oft sehr unzufriedenstellend für die Leute. Das war so die Basisstimmung bei uns und in vielen anderen Labors“, erklärte der Professor für Sensomotorische Systeme an der ETH Zürich dessen Forschungsfokus auf der Entwicklung von Therapierobotern oder neuen Prothesen liegt.

Etwa die Hälfte der Menschen, die eine Armprothese besitzen, würden diese gar nicht benützen, erklärte Riener. Exoskelette, die es etwa Querschnittsgelähmten ermöglichen sollen, sich aus dem Rollstuhl zu erheben, hätten ebenfalls noch Akzeptanzprobleme. Das liege beispielsweise daran, dass Batterien den Betrieb bisher erst für relativ kurze Zeit ermöglichen oder manche Geräte noch keine komplexeren Bewegungen, wie Stiegensteigen zulassen. Der „Cybathlon“ soll daher laut Riener einerseits zeigen, was bereits möglich ist, und andererseits die Szene beleben.

YouTube-Video: Trailer des Cybathlons

“Kein Sport wie bei den Paralympics“

Ihren Ausgangspunkt nahm die Initiative vor vier Jahren, als der Initiator einen Bericht über eine Knieprothese sah, mit der sein Träger die Treppen des 442 Meter hohen Willis Tower in Chicago erklomm. „Da habe ich gedacht: Warum machen wir in der Schweiz nicht so etwas?“, sagte Riener.

Die Idee zu dem Wettkampf mit verschiedenen Disziplinen und vor Publikum gegeneinander antretenden Teams entstand. Beim „Cybathlon“ rittern nun 73 sogenannte „Piloten“ - wie die Teilnehmer beim „Cybathlons“ heißen - in der „Swiss Arena“ in Kloten bei Zürich auch um Aufmerksamkeit für ihre Situation und die Technik, die ihnen mehr gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht.

„Wir sehen es aber weniger als sportliches Event“, so Riener. Es sei vor allem eine technisch-akademische Veranstaltung für Menschen mit Behinderungen und habe eine starke karitative Komponente. „Wir schauen nicht, dass die Piloten am schnellsten und stärksten sind, es geht darum, dass man mit einem gewissen Geschick, mit Übung und Unterstützung durch Technik Alltagshindernisse überwindet. Dadurch hebt es sich der ‚Cybathlon‘ etwa von den Paralympics ab“, betonte Riener.

Geschicklichkeitsparcours mit angetriebenen Armprothesen: ein Mann greift nach einer blauen Kugel

ETH Zurich / Alessandro Della Bella

Geschicklichkeitsparcours mit angetriebenen Armprothesen

Österreichische Beteiligung

In den sechs Disziplinen sind verschiedene Herausforderungen zu bewältigen. Die Details zu den Aufgaben wurden mit Betroffenen und in der Forschungsgemeinde ausgearbeitet. Teilweise hätten sich Teams angesagt, deren „Piloten“ mit völlig neuen Technologien anrücken werden.

Aus Österreich sind bei der Premiere vier Teilnehmer am Start. Gleich drei „Piloten“ gehen mit Produkten des Medizintechnikkonzerns Otto Bock Healthcare ins Rennen: Im Geschicklichkeitsparcours mit Armprothesen wird Patrick Mayrhofer mit der „Michelangelo Hand“ antreten, den Hindernisparcours mit Beinprothesen läuft Stefan Lösler mit der „Genium X3“-Prothese und Lucia Kurs nimmt mit dem mechatronischen Orthesensystem „C-Brace“ den „Parcours mit robotischen Exoskeletten“ in Angriff.

Teilnehmer eines gedankengesteuerten Computerspiels

ETH Zurich / Alessandro Della Bella

Teilnehmer eines gedankengesteuerten Computerspiels

Virtuelle Rennen mit Gedankensteuerung

Am „Virtuellen Rennen mit Gedankensteuerung (BCI)“ beteiligt sich der an Armen und Beinen gravierend eingeschränkte Gerhard Kleinhofer aus Gußwerk nahe Mariazell (Steiermark) und eine Studentengruppe der Technischen Universität (TU) Graz unter der Leitung von TU-Professor Gernot Müller-Putz.

Mit sogenannten Brain-Computer-Interfaces (BCI), also Gehirn-Computer-Schnittstellen, können Menschen alleine durch die Kraft der Gedanken einen Computer, Maschinen oder Körperprothesen steuern. Beim „Cybathlon“ soll durch Gehirnsignale eine Figur (Avatar) in einem Wettrennen am PC per Gedankenkraft ins Ziel gesteuert werden.

Mit dem Fahrradrennen mit elektrischer Muskelstimulation sowie dem Parcours mit motorisierten Rollstühlen gibt es überdies zwei weitere Disziplinen, die kein österreichischer Teilnehmer in Angriff nimmt.

Das Schweizer Fernsehen wird die Veranstaltung unter dem Titel „SRF Menschmaschine“ von 9.30 bis 18.00 Uhr am Samstag übertragen. Die Sondersendung ist auch auf 3sat zu sehen.

science.ORF.at/APA

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