Uni Linz - Erfolg trotz Stifters Warnung

Adalbert Stifter hat von ihr abgeraten. Bei ihrer Einrichtung 1966 waren Frauen als Professorinnen unerwünscht. Geworden ist dennoch etwas aus der Universität Linz. Am Samstag feiert sie ihren 50. Geburtstag. Rückblick auf eine bewegte (Vor-)Geschichte.

Als am 8. Oktober 1966 in Linz die Johannes Kepler Universität (JKU) als „Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften“ gegründet wurde, ahnte wohl noch niemand, dass sich aus dieser Keimzelle im Lauf von 50 Jahren eine Volluniversität mit 120 Professoren und Professorinnen sowie 1.800 wissenschaftlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen entwickeln würde.

Mittlerweile umfasst die JKU 60 Studienrichtungen von der Wirtschafts-, Sozial- und Geschichtswissenschaft über technische Fächer bis hin zur Medizin und ist außerdem die führende akademische Einrichtung im Bereich des Fernstudiums und des E-Learning in Österreich.

Ludwig Fröhler, der Gründungsrektor, hat am 8. Oktober 1966 den Schlüssel der Stadt erhalten

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Gründungsrektor Ludwig Fröhler am 8. Oktober 1966 auf dem Linzer Hauptplatz mit dem Schlüssel der Stadt

Zentrale Idee: Reform und Entlastung

Blick 50 Jahre zurück: Der oberösterreichische Landeshauptmann Heinrich Gleissner hält den Schlüssel zur neu errichteten Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in der Hand und meint: „Die Hochschule ist unser unbestrittenes, liebstes Kind im Lande und in der Stadt. Das wird den Weg erleichtern den Sie, verehrte Professoren, jetzt gehen.“

Originalaudio Heinrich Gleissner

Hörbar eine Stimme aus der Vergangenheit - und dennoch verheißt sie am 8. Oktober 1966 eine Zukunftsvision. Der Historiker Marcus Gräser, der Vorstand des Instituts für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der Universität Linz, arbeitet gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen an einer ausführlichen Geschichte der Johannes Kepler Universität. 1966 war sie eine „Hochschule neuen Typs“, sie sollte eine „Reformuniversität und eine Entlastungsuniversität sein“.

Ö1 Sendungshinweis

„Lernen - Ein Leben lang! Linz als Wissenschaftsort“ zur 50-Jahr-Feier der Johannes Kepler Universität Linz: Salzburger Nachtstudio, 12.10., 21.00 Uhr

„Beide Begriffe stammen aus der hochschulpolitischen Diskussion der 1960er Jahre“, sagt Gräser. „Reformuniversität bedeutete damals: interdisziplinäre Zusammenarbeit, Auflösung der alten Fakultätsstruktur, Schaffung neuer Studiengänge und vor allem auch das Aufwerten von neueren Zweigen in der Palette der Wissenschaften.“ In Linz gehörten dazu die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. „Das war etwas, was in den traditionellen Universitäten eine marginalisierte Rolle gespielt hat. Und hier in Oberösterreich hat man in den 60er Jahren den Versuch gewagt, um dieses neue vibrierende Wissenschaftsfeld herum eine neue Universität zu bauen.“

Und was bedeutete „Entlastungsuniversität“? „Dass die bestehenden Universitäten zu voll sind und man ein Modell entwirft, in dem man auch in Räumen, in denen bis dahin keine höhere Bildungseinrichtung vorhanden gewesen ist, solche etabliert, um die bestehenden Universitäten zu entlasten“, so Gräser.

Stifters Angst vor 1848

Die „Entlastung“ ist aber nicht aufgegangen. Stattdessen wurde das Angebt ausgeweitet. Ehe es so weit kommen konnte, rangen allerlei Kräfte um Bildung und Wissen in und rund um Linz - und das jahrhundertelang. Von einer evangelischen Landschaftsschule in der Reformationszeit des 16. Jahrhunderts über eine katholische Lateinschule der Jesuiten wurden vor allem Theologie und Rechtswissenschaft betrieben.

Im 19. Jahrhundert sei dann hin und her überlegt worden, ob man in der sich formierenden Industriezone nicht eine technische, eine medizinische oder eine Handelshochschule errichten solle, schildert die Historikerin Maria Wirth, die führende Koautorin der Geschichte der Linzer Universität.

Dass nichts daraus geworden ist, mag vielleicht auch daran liegen, dass man seinerzeit nicht Wissenschafts-, sondern Kulturprominenz dazu befragte, darunter den Dichter Adalbert Stifter. „Stifter hat sich 1849 in einem relativ kurzen Exposé sehr entschieden gegen eine neue Hochschule ausgesprochen“, so Wirth. „Und zwar aus drei Gründen. Der historisch interessanteste ist wahrscheinlich der, dass er gemeint hat: ‚Na, wir haben grad die Revolution von 1848 hinter uns, und was das Akademikerproletariat anstellen kann, haben wir hier gesehen.‘ Das heißt, eine neue Hochschule war aus seiner Sicht nicht wünschenswert.“

EDV-Raum Anfang der 1980er Jahre

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EDV-Raum Anfang der 1980er Jahre

Langes Ringen

So ist die Linzer Universität also bereits 120 Jahre vor ihrer eigentlichen Gründung ein Politikum. Erst 1918 nimmt die Idee wieder Fahrt auf. Nach gescheiterten Plänen, die Technische Hochschule in Brünn nach Linz zu verlegen, errichten die Nationalsozialisten in Adolf Hitlers Lieblingsstadt eine akademische Architekturabteilung.

1945 ist damit wieder Schluss. Obwohl der oberösterreichische Landeshauptmann Heinrich Gleissner ab Oktober 1945 diese Rumpfuniversität erhalten will, kommt aus Wien ein Nein. Man hat kein Geld. Gleissner lässt aber nicht locker, und als an der Linzer Volkshochschule technische Kurse eingerichtet werden, kündigt sich schon eine Zukunft im Sinne der Erwachsenenbildung und des lebenslangen Lernens an. Das damals zuständige Unterrichtsministerium in Wien sagt aber immer noch Nein zu einer technischen Hochschule.

„Bitte keine Frauen“

Gleissner nimmt von einer USA-Reise die Erkenntnis mit, dass die Sozialwissenschaften in Amerika immer wichtiger werden, und drängt auf eine Hochschule diesen Zuschnitts. 1962 werden die Schwerpunkte Soziales und Wirtschaft festgelegt, und die Linzer können sogar noch ihre heißersehnte technische Fakultät mit hineinmogeln, dazu noch Naturwissenschaften und Jus. Der Wettlauf mit der ebenfalls neu gegründeten Universität in Salzburg ist dabei unübersehbar. Mit zwölf Professoren, ausschließlich Männern, wird die Linzer Hochschule 1966 eröffnet.

„Interessant ist, dass sich der Linzer Hochschulfonds schriftlich ans Unterrichtsministerium gewendet hat, unter den ersten Professoren sollten sich doch aus ganz allgemeinen Gründen keine Frauen befinden - das hat man sich damals noch getraut!“, schildert Wirth.

Audio Maria Wirth

Heute, 2016, ist die JKU Linz mit 14.000 Studentinnen und Studenten die viertgrößte Universität in Österreich, 51 Prozent davon sind männlich, rund 75 Prozent sind (meist voll) berufstätig. Diese Zahlen zeichnen ein recht deutliches Bild, umreißen ein Profil.

Zukunft: Bekanntheit steigern, Campus besser nützen

Wohin aber soll sich die JKU, die Johannes Kepler Universität künftig weiterentwickeln? Der Rektor Meinhard Lukas sieht vor allem Handlungsbedarf in der Öffentlichkeitsarbeit: „Ein Defizit ist einmal klar die Bekanntheit von Forschungsschwerpunkten der Kepler Universität. Wir stellen fest, dass wir bei Rankings, wo es um die Hard Facts geht, sehr gut abschneiden. Bei Rankings, wo die Reputation zwischen Universitäten gemessen wird, haben wir noch Aufholbedarf. Es ist viel zu wenig bekannt, dass die Kepler Universität einen exzellenten Technologie- und Pädagogikschwerpunkt hat, etc.“

Zukunftsvision der JKU-Bibliothek

Riepl Riepl Architekten ZT GmbH

Zukunftsvision der JKU-Bibliothek

Das Zweite, das Lukas noch für verbesserungswürdig hält, ist die internationale Ausrichtung. „Weniger im Bereich der Forschung, da gibt es sehr intensive Kontakte mit internationalen Universitäten. Aber wir wünschen uns wesentlich mehr internationale Studierende an der Kepler Universität, und da haben wir sicher ein Defizit, dass Linz als Studenten- und Studentinnenstadt zu wenig wahrgenommen wird. Und da ist meine feste Überzeugung, dass wir mit dem Campus, den ich für den schönsten in Österreich halte, viel besser umgehen müssen: Sport- und Freizeitangebote, also das US- amerikanische Vorbild viel stärker nutzen, nicht nur studieren und arbeiten am Campus, sondern auch leben am Campus.“

Martin Haidinger, Ö1 Wissenschaft

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