Neues Laserlicht aus Afrika

Der Laser hat die Technik revolutioniert, ähnlich große Hoffnungen setzen Wissenschaftler nun in den ersten digitalen Laser: Entwickelt wurde er in Südafrika.

„Der Laser“, sagt der südafrikanische Physiker Sandile Ngcobo, „ist eine ganz besondere Art Licht. Ein vom Menschen geschaffenes Licht, das es in der Natur nicht gibt.“

Im Gegensatz zu allen natürlichen Lichtquellen bewegt sich das Licht des Lasers nur in eine Raumrichtung. Diese Eigenschaft macht ihn für technische Anwendungen so interessant.

Ob er nun in CD-Playern und Supermarktkassen, als Messgerät von Schadstoffen oder als optisches Skalpell im Krankenhaus zum Einsatz kommt – es ist der präzise und kohärente Lichtstrahl, der den Laser in so vielen Gebieten unverzichtbar gemacht hat. Der Laser ist, wenn man so will, ein Multifunktionswerkzeug. Die Vielseitigkeit bedingt allerdings auch seine größte Schwäche.

In Erwartung der Revolution

Will man ein Gerät mit einem anders geformten Strahl herstellen, muss man einen neuen Laser bauen – und das ist teuer. Diese Einschränkung galt zumindest bis vor kurzem. Sandile Ngcobo vom Rat für wissenschaftliche und industrielle Forschung in Pretoria hat nun einen digitalen Laser entwickelt. Das Gerät definiert das Konzept des Lasers neu, jetzt gilt erstmals: ein Gerät für alle Anwendungen.

Sandile Ngcobo bei einem Vortrag

Südafrikanische Botschaft Wien

Sandile Ngcobo war kürzlich auf Einladung der Akademie der Wissenschaften in Wien

Manche Physiker sehen einen ähnlichen Durchbruch wie in den 60er Jahren, als es Theodore Maiman an den Hughes Research Laboratories in Malibu erstmals gelang, Lichtwellen in jenen kohärenten Modus zu zwingen, den wir heute „light amplification by stimulated emission of radiation“, oder eben kurz „Laser“ nennen.

Ö1-Sendungshinweis

Über dieses Thema berichtet heute auch Wissen aktuell, 12.10. um 13:55 Uhr.

Sandile Ngcobos Erfindung ist ein Beispiel dafür, dass der Fortschritt der Wissenschaft nicht immer in den führenden Industrienationen mit ihren üppig dotierten Forschungszentren und sogenannten Eliteunis passieren muss.

Ngcobo stammt aus einem kleinen Dorf in der Nähe der südafrikanischen Stadt Pietermaritzburg. Der 35-Jährige wuchs unter bescheidenen Verhältnissen auf, besuchte keine Privatschule – wie unter den Mitgliedern der südafrikanischen Bildungsschicht üblich. Doch ausgestattet mit Talent und Einsatzfreude erreichte auch er die Eintrittspforte zur Wissenschaftskarriere, den PhD.

Laserlicht mit beliebigen Formen

Der Abschluss seines Physikstudiums war ein fulminanter: Ngcobo löste binnen weniger Monate ein physikalisches Problem, an dem sich sein Doktorvater jahrelang die Zähne ausgebissen hatte. Er wies nach, dass man den Laser auch mit digitalen Signalen speisen – und somit dessen Optik mit den Vorzügen der Computertechnik ausstatten kann. Das macht aus dem starren Gerät ein flexibles, das ehemals unveränderliche Laserlicht wird nun beweglich, wandelbar.

Die Punktform wie beim Laserpointer oder die Linienform wie in der Supermarktkasse sei nun eine physikalische Fingerübung, „im Prinzip könnten wir auch Laserstrahlen herstellen, die die Form eines Gesichts haben“, sagt Ngcobo im Interview. Das wäre etwa für die Unterhaltungselektronik interessant.

Eine andere Anwendung: Energiereiche Laser werden in der Fertigungstechnik eingesetzt, um Materialien zu schneiden. Bislang gelang das nur, indem Roboter die Umrisslinien des ausgeschnittenen Stücks Zentimeter für Zentimeter nachzeichneten. Nun kann man diese Umrisslinie dem Licht selbst einschreiben – was die Produktionsketten deutlich schneller und energiesparender machen würde, etwa in der Autoindustrie.

Prinzip: LCD statt Spiegel

„Ein Laser ist im Grunde nichts anderes als eine Box mit einer Energie- und Lichtquelle, in der sich zwei Spiegel befinden“, sagt Ngcobo. Das Licht rast zwischen den beiden Spiegeln hin und her und verlässt die Box, dergestalt angeregt, als Bündel elektromagnetischer Energie. Ngcobos Innovation liegt eine einfache Idee zugrunde: Man ersetze einen Spiegel durch ein LCD, also eine Flüssigkristallanzeige, wie sie auf Handybildschirmen üblich ist. Da die Farbwechsel der LCDs mit einer Bewegung der darin befindlichen Kristalle einhergehen, eignen sie sich auch als Steuerelemente des Lichts.

Der südafrikanische Physiker wies vor drei Jahren in einer im Fachblatt „Nature Communications“ veröffentlichten Studie nach, dass diese Idee auch in der Praxis funktioniert: LCDs können, wie von Fernsehern bekannt, beliebige Bilder anzeigen – der Laser reagiert darauf und nimmt seinerseits beliebige Formen an. Noch ist das Gerät ein Prototyp, doch erste Anwendungen sollen innerhalb des nächsten Jahres kommen.

Südafrika holt auf

Dass mit Südafrika ein Land vom weltweit ärmsten Kontinent in der Grundlagenforschung reüssiert, zeigt, dass die Machtverhältnisse im globalen Wissenschaftsbetrieb nicht in Stein gemeißelt sind. Südafrika mag zwar mit Nationen wie den USA, China, Japan und Deutschland auf breiter Front nicht mithalten können, in Einzelsparten hat das Land jedoch zur internationalen Spitze aufgeschlossen.

Das ist neben der Lasertechnologie etwa in der pharmazeutischen Pflanzenforschung der Fall. Und nicht zuletzt in der Astronomie: Das South African Large Telescope in Sutherland ist das größte optische Teleskop auf der Südhalbkugel, in der Provinz Northern Cape soll nun das weltgrößte Radioteleskop, der „Suare Kilometer Array“, gebaut werden.

Der Trend zeigt sich auch in Statistiken. 2003 lag der Anteil Südafrikas am weltweiten Publikationsoutput laut der Datenbank „InCites“ bei 0,43 Prozent. 2012 erreichte er 0,73 Prozent. Laut Auskunft des südafrikanischen Wissenschaftsministeriums weisen auch das Forschungsbudget und andere Indikatoren eine Aufwärtsbewegung aus, etwa, was die Zahl der Zitate in der Fachwelt betrifft. Südafrikas „Citation Impact“ wird zusehends gewichtiger.

Über einen Mangel an Zitaten durch Fachkollegen kann sich auch Ngcobo nicht beschweren. Seine Laser-Studie habe ein weltweites Echo ausgelöst, erzählt er, seitdem hätten auch einige Universitäten und sogar eine Investmentbank mit Jobangeboten bei ihm angeklopft. Doch derzeit sehe er keinen Grund, seine Heimat zu verlassen. Auch deshalb, weil sich die Wissenschaft in seinem Land auf einem guten Weg befinde. „Natürlich können wir nicht überall Weltspitze sein. Wir müssen sehen, wo wir zu Besonderem fähig sind – und auf diese Stärken müssen wir uns konzentrieren.“

Robert Czepel, science.ORF.at

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