Wurzelrinde wirkt gegen Grippeviren

Warum helfen Heilpflanzen bei Erkältungskrankheiten? Forscherinnen der Uni Wien haben Wirkstoffe unter die Lupe genommen, die selbst Grippeviren den Garaus machen: Sie stammen aus einer Pflanze, die in China schon seit Jahrhunderten verwendet wird.

Leidet ein Patient unter einer Infektion der Atemwege oder einer Grippe, dann wird in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) oft eine Kräutermischung verabreicht, die auch zerkleinerte Wurzelrinde des weißen Maulbeerbaumes enthält. In der TCM ist diese Wurzelrinde ein bekanntes Heilmittel, sie wirkt unter anderem schleimlösend. Wo die darin enthaltenen Stoffe biochemisch ansetzen, war bis vor Kurzem jedoch nicht geklärt. Die Pharmakologin Judith Rollinger hat das nun gemeinsam mit Kolleginnen vom Department für Pharmakognosie untersucht.

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Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Ö1-Mittagsjournal, 3.11., 12:00 Uhr.

Zweifach wirksam

Sie konnten zeigen, dass zwei der in der Wurzelrinde enthaltenen Substanzen die Ausbreitung von Viren hemmen, etwa Schnupfen- oder Grippeviren. Gleiches gilt für Bakterien wie Pneumokokken, die nach einer viralen Ekrankung zu einer sogenannten Sekundärinfektion führen können. Nach einer Grippe kann das beispielsweise eine durch Pneumokokken verursachte Lungenentzündung sein.

Der Angriffspunkt der pflanzlichen Wirkstoffe ist die Neuraminidase. Sie ist für die Verbreitung von Viren und Bakterien verantwortlich. Diese Enzyme oder Oberflächenproteine sorgen dafür, dass sich neugebildete Viren und Bakterien von der Wirtszelle ablösen und im Organismus verbreiten. Die Stoffe, die Judith Rollinger und ihre Kolleginnen in der Wurzelrinde entdeckt haben, hemmen die Neuraminidasen. „Das Spannende ist, dass diese Substanzen nicht nur bei der Neuraminidase der Grippeviren aktiv sind, sondern auch bei bakteriellen Neuraminidasen“, so Rollinger.

Bessser als gängige Medikamente

Gerade bei der viralen Neuraminidase zeigten die pflanzlichen Wirkstoffverbindungen bessere Ergebnisse als bekannte Medikamente wie Tamiflu. Doch, gibt Judith Rollinger zu bedenken, diese Ergebnisse stammen aus Versuchen in der Petrischale. Nun brauche es weitere Untersuchungen, zunächst an Mäusen.

Ziel dieser Arbeit sei es, potenzielle Wirkstoffe oder Verbindungen zu isolieren, sagt Rollinger. „Dabei geht es einerseits um Grundlagenforschung, weil wir zeigen wollen, wo diese pflanzlichen Wirkstoffe tatsächlich ansetzen“, so die Pharmakologin weiter. Im Hinblick auf eine Anwendung könnten diese Stoffe zudem, chemisch modifiziert, im Labor nachgebaut werden.

Vorbeugen mit Altbewährtem

Ob und wann diese Wirkstoffe in der Apotheke erhältlich sein könnten, werden die nächsten Studien zeigen. Bis dahin empfiehlt die Pharmakologin auf Altbewährtes zu setzen. Pflanzliche Wirkstoffe aus Salbei, Thymian oder Efeu lösen den Schleim in Nase und Rachen. Und genau auf diesem Schleimfilm breiten sich Bakterien und Viren bevorzugt aus.

Bei ersten Symptomen einer Erkältungskrankheit könne man mit solchen pflanzlichen Arzneimitteln schlimmere Infektionen abfangen, so Rollinger. Dass gerade im Winter viele Menschen unter viralem Schnupfen oder Husten leiden, hat mit den Schleimhäuten zu tun. Sie sind wegen trockener Heizungsluft und kalten Außentemperaturen oft schlechter durchblutet als in wärmeren Jahreszeiten - und deswegen anfälliger für Infektionen.

Marlene Nowotny, Ö1 Wissenschaft

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