Klimaforscher sehen wenig Grund zur Beruhigung

Am Montag beginnt die UNO-Klimakonferenz in Marrakesch, bei der die Regeln zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens aufgestellt werden sollen. Klimaforscher sehen vorab wenig Grund zur Beruhigung

Tief rot eingefärbt sind die Karten, auf denen sie die Temperaturentwicklung des vergangenen Jahres zeigen: Auf das Rekordjahr 2014 folgte das Rekordjahr 2015 und bislang deuten alle Daten darauf hin, dass 2016 das nächste Rekordjahr bei der globalen Erwärmung sein wird.

Ein kalte Blase im Atlantik

Nur mitten im Nordatlantik gibt es auf den Klimakarten einen großen blauen Fleck, also sogar eine Temperaturabweichung nach unten. Für Stefan Rahmstorfvom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ist diese „kalte Blase“, die Mitte Oktober Thema auf einer wissenschaftlichen Tagung in Islands Hauptstadt Reykjavik war, allerdings kein Grund zur Beruhigung, sondern eher ein zusätzlicher Hinweis darauf, dass das Weltklima aus dem Lot geraten ist.

So zeigen zahlreiche Untersuchungen, dass sich der volkstümlich als Golfstrom bekannte Nordatlantikstrom, der bisher für mildes Wetter an der US-Ostküste und in Nordwesteuropa verantwortlich ist, in den vergangenen zehn Jahren stark abgeschwächt hat.

Eine wichtige Auswirkung sind wissenschaftlichen Studien aus dem Jahr 2015 zufolge Veränderungen auch der Luftzirkulation auf der nördlichen Erdhalbkugel. Typisch sind hier bisher Wellenbewegungen, die dazu führen, dass Mitteleuropa abwechselnd mit kalter Luft aus dem Norden und warmer Luft aus dem Süden versorgt wird. Inzwischen jedoch bleiben die Wellen immer häufiger stecken, was in unseren Breiten anhaltende sommerliche Hitzeperioden auslösen kann.

Extremwetterlagen nehmen zu

Drastische Folgen ließen sich in den vergangenen Jahren wiederholt beobachten. Zwar betonen Klimaforscher stets, dass einzelne Wetterereignisse sich nicht direkt von globalen, langfristigen Klimaentwicklungen ableiten lassen. Mittlerweile entfernt sich die Häufigkeit von Extremwetterlagen aber immer weiter nach oben vom statistisch zu erwartenden Zufall.

Mehr Hitze nämlich bedeutet Dürre wie 2010 in Russland und 2015 auch in Südeuropa - aber auch häufigere und massivere Starkregen, die sich zudem zum Beispiel bei Gewittern häufiger auf ein eng begrenztes Gebiet konzentrieren. Das Ergebnis können dann kleinräumige, aber extrem heftige Überflutungen sein.

Der australische Klimaforscher Seth Westra entwickelte gemeinsam mit anderen Experten bereits vor einigen Jahren eine Formel, wonach pro Grad Erwärmung mit um sieben Prozent stärkerem Extremregen zu rechnen ist, wobei der Effekt bei Gewittern noch stärker ausfallen dürfte.

Messreihen bestätigen Vorhersagen

Solche regionalen Effekte der globalen Erwärmung lassen sich auch in anderen Weltregionen beobachten - ob dies Verschiebungen in Ablauf und Stärke des Monsunregens in Süd- und Südostasien sind oder eine Verstärkung der Wirkung des El-Niño-Phänomens auf der Südhalbkugel sowie Trockenzeiten und demzufolge mehr und stärkere Brände in Kalifornien oder Australien. Neben den Unwettern sind dabei auch Ernteausfälle vielerorts spürbare Folgen.

Viele dieser Erkenntnisse sind nicht neu - allerdings lassen sich Vorhersagen der Klimaforscher zu Folgen der Erderwärmung immer häufiger durch Messreihen untermauern. Die Handlungsspielräume werden mit anhaltendem CO2-Ausstoß stetig kleiner.

Zudem stellt sich heraus, dass Wirkungen wie das Abschmelzen des grönländischen Eisschildes und auch des Eispanzers der Westantarktis schneller und stärker einsetzen als noch vor einigen Jahren von der Klimaforschung angenommen. Gleiches gilt auch für damit verbundene Effekte - vom Wetter bis hin zum Anstieg des Meeresspiegels. Letzterer könnte nach Auffassung führender Klimaforscher bereits im laufenden Jahrhundert mehr als einen Meter betragen - wenn nicht bald entschlossen gegengesteuert wird.

Benno König, AFP

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