Rote Speisen bevorzugt

Das Auge isst mit - das gilt nicht nur für Aussehen und Geschmack, sondern auch für Kalorien. Rot signalisierte unseren Urahnen ein üppigeres Mahl als etwa Grün. Experimente zeigen: Dieses Erbe lässt uns noch heute zu roten Speisen greifen.

Anders als beispielsweise der Hund - der die Welt vor allem über seine Nase wahrnimmt - sind Menschen wie manche anderen Primaten „Augentiere“. Unser visuelles System ist so aufgebaut, dass wir ein breites Spektrum an Farben unterscheiden können.

„Besonders fähig sind wir bei der Unterscheidung von Rot und Grün“, so Raffaella Rumiati von der Scuola Internazionale Superiore di Studi Avanzati (SISSA) in Triest in einer Aussendung. Das sei vermutlich kein Zufall.

„Manche Theorien gehen davon aus, dass sich unser Farbsehen entwickelt hat, damit wir besonders nahrhafte Beeren, Früchte und Gemüse im Blattwerk entdecken können“, erklärt die Neurowissenschaftlerin. Denn an der Farbe erkennt man in der Natur, wie nährstoffreich ein Lebensmittel ist: Je röter, desto gehaltvoller. Rote Beeren oder Früchten haben in der Regel mehr Kalorien und Proteine als grüne Blätter.

Präferenz trotz Verarbeitung

Welche Rolle die Farbe bei der Nahrungsauswahl spielt, sei - abgesehen von ihrem Einfluss auf den Geschmack - dennoch kaum erforscht. Das könnte daran liegen, dass unsere Nahrung schon längst nicht mehr aus Beeren und Blättern besteht. Die meisten Dinge, die der Mensch heute zu sich nimmt, werden in irgendeiner Weise verarbeitet. Dadurch verändert sich der Nährstoffgehalt, der Geschmack und nicht zuletzt die Farbe.

Diese Entwicklung dürfte sich jedoch kaum auf unsere Vorlieben ausgewirkt haben, wie die Experimente der Forscher nun zeigen. Die Probanden mussten eine große Anzahl an Bildern von Essen und anderen Objekten bewerten. Bei den Lebensmitteln sollten sie zudem den Kaloriengehalt einschätzen und den Aufwand, der hinter der Zubereitung der Speisen stand.

Eher Rot als Grün

Die Auswertung zeigte, dass die Farbe nur bei Nahrungsmitteln einen Einfluss auf die Bewertung hatte - nämlich genauso wie erwartet: Rote Speisen empfanden die Teilnehmer anregender als grüne. Bei anderen Dingen gab es keinen Zusammenhang mit der Farbgebung. „Das bedeutet, dass nur essbare Stimuli nach Farben bewertet werden“, so Rumiati.

Auch bei der Einschätzung des Kaloriengehalts lagen rötliche Speisen klar vorne - wiewohl bei vielen der gezeigten gekochten Gerichte die Farbe kein verlässlicher Kalorienzähler war. Denn bei den meisten - egal ob rot oder grün - sind die Kalorien versteckt, in Form von Fett oder Zucker.

Wie die Forscher meinen, könnten diese Erkenntnisse auch praktische Anwendung finden. Angesichts zunehmender gesundheitlicher Probleme werde heute vieles versucht, um die Menschen davon zu überzeugen, gesündere und kalorienärmere Nahrung zu sich zu nehmen, z.B. durch Verbote oder entsprechende Kennzeichnung von zucker- wie fetthaltigen Speisen und Getränken. „Vielleicht“, so Rumiati „hätte eine geeignete Farbgebung von Lebensmitteln mehr Erfolg, selbst wenn sie künstlich ist.“

Eva Obermüller, science.ORF.at

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