„Struwwelpeter-Gene“ entdeckt

Das Phänomen völlig zerzauster Haaren bei Kindern lässt sich jetzt wissenschaftlich erklären: Forscher haben die „Struwwelpeter-Gene“ entdeckt. Über die Ursachen war bisher so gut wie nichts bekannt - wohl auch deshalb, weil es nur ganz wenige Fälle gibt.

Die Studie

Mutations in three genes encoding proteins involved in hair shaft formation cause uncombable hair syndrome, American Journal of Human Genetics, DOI: 10.1016/j.ajhg.2016.10.004

Dass Kinder nicht immer einfach zu frisieren sind, wissen viele Eltern aus eigener Erfahrung. Doch auch die hartnäckigsten Knoten lassen sich in der Regel - mit viel Geduld - lösen. Beim „Struwwelpeter-Syndrom“ haben Bürste oder Kamm dagegen nicht den Hauch einer Chance. Die Betroffenen haben extrem krause, trockene, meist hellblonde Haare mit charakteristischem Glanz, die sich jedem Bändigungsversuch widersetzen. Am ausgeprägtesten sind diese Symptome in der Kindheit - sie lassen dann mit der Zeit nach.

Familiär gehäuft

Im Jahr 1973 wurde das „Struwwelpeter-Syndrom“ erstmals in der Fachliteratur beschrieben. Mittlerweile sind weltweit gut hundert Fälle dokumentiert. Die Forscher gehen aber von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. „Wer unter unkämmbaren Haaren leidet, sucht deshalb nicht unbedingt einen Arzt oder eine Klinik auf“, erklärt Regina Betz vom Institut für Humangenetik der Universität Bonn.

blondes Kind mit unkämmbaren Haaren

privat, Uni Bonn

Immerhin ist bekannt, dass die Anomalie in manchen Familien gehäuft vorkommt. Die Forscher analysierten nun die Gene von etwa einem Dutzend betroffener Kinder und identifizierten Mutationen in drei Genen mit den Kürzeln PADI3, TGM3 und TCHH, die an der Bildung des Haars beteiligt sind.

Störungen bei nur einer der Komponenten haben demnach fundamentale Auswirkungen auf die Struktur und Stabilität der Haare. Mäuse, bei denen das PADI3- oder das TGM3-Gen defekt ist, entwickeln demnach charakteristische Fellanomalien, die dem menschlichen Struwwelpeter sehr ähnlich sind.

Gesundheitlich unbedenklich

Die gute Nachricht: Während manche Haarerkrankungen mit schweren Begleiterkrankungen einhergehen, müssen sich Struwwelpeter keine Sorgen machen. Das Phänomen tritt den Forschern zufolge meist isoliert und ohne weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen auf.

„Struwwelpeter“ ist der Titel eines Bilderbuches des Frankfurter Arztes und Psychiaters Heinrich Hoffmann aus dem Jahr 1845. Die drastischen Erlebnisse der Titelfigur und weitere wie Zappel-Philipp, Suppen-Kaspar und Hans Guck-in-die Luft sollten Kinder zum „Bravsein“ bewegen.

science.ORF.at/APA/AFP

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