Soziale Schere schadet auch den Reichen

Die Folgen sozialer Ungleichheit spüren vor allem arme Menschen. Sie schade aber auch den Reichen, meint der britische Sozialforscher Richard Wilkinson: Die Menschen werden unsozialer, und das allgemeine Misstrauen steigt.

Während die einen immer mehr verdienen, werden andere im selben Land immer ärmer - diese Entwicklung ist kein Einzelfall, sondern lässt sich zum Teil global beobachten – laut Berechnungen der OECD auch in Österreich. Laut der Statistik Austria sind derzeit in Österreich 380.000 Kinder armuts- und ausgrenzungsgefährdet. Für die Gesellschaft bleibe das nicht ohne Folgen, wie Wilkinson gegenüber science.ORF.at erklärt.

Mehr gehänselt und schlechter in der Schule

Auch Kinder und Jugendliche sind von den negativem Auswirkungen betroffen, die mit einer wachsenden Kluft bei den Einkommen einhergehen, meint der Forscher. Laut einer internationalen Studie werden Schüler in ungleichen Gesellschaften mehr gehänselt und der Durchschnitt ist in Mathematik sowie beim Lesen und Schreiben schwächer. Zudem gebe es mehr Drogenkonsum und Depressionen.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal am 25.11. um 12:00.

Vor allem aber beeinflusst es die sozialen Beziehungen, weil Kinder beispielsweise nicht an Sportkursen und Schulausflügen teilnehmen können. Das wiederum verschlechtert die Gesundheit, ist Wilkinson überzeugt: "Dass man sozialen Anschluss hat, Freunde und ein starkes Gemeinschaftsgefühl erfährt, ist für die Gesundheit sehr wichtig.”

Wilkinson beim Vortrag

Ruth Hutsteiner

Es gibt laut Wilkinson sogar Studien, die zeigen, dass es der Gesundheit mehr schadet, wenn man keine Freunde hat, als wenn man raucht. Dabei sei es das Gefühl, von oben herab betrachtet zu werden und ausgegrenzt zu sein, das krank macht und das Immunsystem schwächt, erklärt der Sozialforscher. Ähnlich argumentieren die Forscher einer heute im Fachjournal „Science“ erschienenen Studie.

Lebenserwartung sinkt relativ und real

Das sei auch der Grund, warum die Lebenserwartung in ungleichen Gesellschaften langsamer steigt als in Ländern, wo Menschen ähnlich viel verdienen. Als Beispiel nennt er die USA, wo die Vermögen und Einkommen immer weiter auseinander klaffen.

In der WHO-Statistik der Lebenserwartung liegen sie nur mehr auf Platz 31 – zum Vergleich: Österreich ist auf Platz 18 mit einer Lebenserwartung von 81,5 Jahren. Auf der anderen Seite beobachtet Wilkinson in den USA und Großbritannien, dass ältere, schlecht ausgebildete, weiße Männer tatsächlich früher sterben – als Grund führt er Alkohol, Drogen und Selbstmord an: „Es ist ein Indikator dafür, dass diese Gruppe von Menschen unter der sich öffnenden Einkommensschere leiden.“

Damit die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter aufgeht, sondern sich sogar schließt, plädiert der Sozialforscher unter anderem dafür, das Vermögen in einer Gesellschaft gerechter zu verteilen, indem man beispielsweise Spitzengehälter und Bonuszahlungen kürzt.

Ruth Hutsteiner, science.ORF.at

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