Hormon hält Würmer von Sex ab

Meeresringelwürmern kommt Sex teuer. Sie sterben am Tag ihrer ersten und einzigen Paarung, noch ehe sich aus den Eiern Junge entwickeln. Wiener Forscher haben jenes Hormon gefunden, das die Tiere vor einer frühzeitigen Geschlechtsreife bewahrt.

Die Weibchen dieser Würmer aus der Gattung Platynereis haben am Ende der Reifung bis zur Hälfte ihres Körpergewichts an Dotter für die Jungen produziert, die Männchen immerhin große Mengen an Erbmaterial für die zur Befruchtung nötigen Spermien, erklärte Florian Raible von den Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien und Medizinuniversität Wien der APA. In einer „Alles-oder-nichts“ Strategie schreiten sie dann zum Geschlechtsakt und legen tausende befruchtete Eier ins Meer. Die Ressourcen der Elterntiere sind dadurch so erschöpft, dass sie kurz darauf sterben.

Insektizide stören Hormonsystem

Solch ein Akt darf freilich nicht unkontrolliert passieren, und die Geschlechtsreifung wird bei den Tieren daher streng gesteuert. Ein Team um Raible und seinen Mitarbeiter Sven Schenk hat herausgefunden, dass in den Gehirnen der Würmer ein Hormon namens „Methylfarnesoat“ produziert wird, das die Bildung von Dotter-Proteinen bei den Weibchen verhindert und vermutlich auch die Spermienproduktion in Männchen.

Ein reifes Weibchen des Meeresringelwurms

Florian Raible, Universität Wien

Ein reifes Weibchen des Meeresringelwurms

Ähnliche Hormone waren bisher nur in Insekten und Krebstieren bekannt. Weil man diese Vermehrungs-Regulatoren dort einzigartig glaubte, entwickelte die Insektizidindustrie zahlreiche Stoffe, die in diesen Signalweg eingreifen, so Raible. Sie wurden etwa im Kampf gegen Tigermücken, die das Zikavirus übertragen, in großen Mengen eingesetzt.

Die Wiener Forscher konnten aber zeigen, dass solche Insektizide bereits in geringer Dosis das Hormonsystem der Würmer beeinträchtigen. „Sie wirken wahrscheinlich nicht nur gegen unsere Versuchstiere, sondern auch gegen Regenwürmer und viele andere Ringelwürmer“, sagte Raible. Sogar bei Schnecken habe man Andockstellen für diese Art von Hormonen entdeckt. Damit richten solche Stoffe, die eigentlich nur gegen Insekten wirken sollten, möglicherweise bei vielen verschiedenen Bodenorganismen Schaden an und greifen tiefer als beabsichtigt in die Ökosysteme der betroffenen Gebiete ein.

science.ORF.at/APA

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