Politik sieht kein Problem

23,2 Mio. Euro sind 2015 in Österreich von der Pharmaindustrie an Ärzte gegangen. Aber nur bei knapp 20 Prozent ist der Empfänger mit Namen bekannt. Für die Verantwortlichen in der Politik ist das kein Problem – sie setzen auf bestehende Regeln.

Die Zahlungen an die Ärzte und die hohe Geheimhaltungsrate hatte eine gemeinsame Analyse von ORF, Standard und dem deutschen Recherchezentrum Correctiv ergeben. Ö1-Morgenjournal und science.ORF.at haben darüber berichtet.

Ministerium: Keine Gesetzesreform

Gerhard Aigner, als Sektionschef im Gesundheitsministerium zuständig für Recht und Verbraucherschutz, führt die hohe Geheimhaltungsrate auf eine generell große Zurückhaltung zurück, was die Offenlegung von Einkommen in Österreich betrifft. Und das sei auch rechtlich abgesichert: „Datenschutzrecht stützt das. Es bedürfte einer datenschutzrechtlichen Ausnahmeregelung“, meinte er im Ö1-Mittagsjournal.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichtete am 30.11. auch das Ö1-Mittagsjournal.

Das Gesundheitssystem sei zwar ein besonders sensibler Bereich, wo man genau hinschauen müsse. Für medizinischen Fortschritt sei die Zusammenarbeit von Ärzten und Pharmaindustrie aber nötig. Es gebe Regeln im Verhaltenskodex der Ärztekammer, welche Zahlungen wofür erlaubt sind, so Aigner – etwa für Repräsentationsaufwand und Teilnahme an Studien. „Schauen wir einmal, ob man nicht mit diesen Maßnahmen und Regelungen das Auslangen findet.“ Außerdem kontrollieren die Krankenkassen genau, was Vertragsärzte verschreiben, so Aigner. Im Gesundheitsministerium denkt man derzeit deshalb nicht an eine Gesetzesreform oder eine eigenes Antikorruptionsgesetz für Ärzte und Ärztinnen.

Ärztekammer setzt weiter auf Freiwilligkeit

Dieser Haltung stimmt auch der Präsident der österreichischen Ärztekammer, Artur Wechselberger, zu. Der Verhaltenskodex der Ärztekammer, der von Ärzten und Ärztinnen eingehalten werden müsse, reiche aus: „Darin steht ganz klar, dass man im Umgang mit der pharmazeutischen Industrie, der Entgegennahme von Aufträgen und der Erbringung von Leistungen darauf achten muss, dass das Entgelt in Relation zur Leistung steht.“

Dass über 80 Prozent der Ärzte und Ärztinnen einer Offenlegung der Zahlungen der Pharmaindustrie an sie nicht zugestimmt haben, sieht der Ärztekammerpräsident nicht als großes Problem. Er rechnet damit, dass der Anteil der Offenlegung in den nächsten Jahren steigen wird: „Wir als Ärztekammer empfehlen diese Offenlegung, weil wir glauben, dass Transparenz die beste Möglichkeit ist, allen Unkenrufen und allen Verdächtigungen vorzubeugen.“ Wechselberger setzt weiter auf Freiwilligkeit und lehnt etwa eine Offenlegungspflicht für Unternehmen zum derzeitigen Zeitpunkt ab.

Pharmig: Offenlegungen werden steigen

Das sieht auch der Verband der pharmazeutischen Industrie Pharmig so, der mit seinem 2014 verabschiedeten Verhaltenskodex die freiwillige Offenlegung in die Wege geleitet hat. Zu mehr als 80 Prozent Geheimhaltung heißt es von Pharmig-Generalsekretär Jan Oliver Huber: „Das Recht auf Datenschutz ist ein verfassungsrechtlich abgesichertes Grundrecht. Es ist in Österreich strenger geregelt als in anderen EU-Ländern, und daher muss man hier vorsichtig sein. Das kann man jetzt gut finden oder schlecht. Ich finde es gut." Freiwilligkeit brauche eine Anlaufzeit, so Huber. Für das erste Jahr sei er durchaus zufrieden, er rechne aber damit, dass der Anteil der Offenlegungen in den nächsten Jahren steigen werde.

Elke Ziegler, Ö1 Wissenschaft

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