Bangladesch: Jedes zehnte Kind arbeitet

Wie eine neue Studie zeigt, ist Kinderarbeit selbst in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka immer noch weit verbreitet. Viele Kinder arbeiten für Textilfabriken - potenziell auch mit westlichen Kunden.

Sie arbeiten in Aluminiumfabriken, nähen Kleidung zusammen oder müssen als Haushaltshilfe ständig verfügbar sein. Trotz einer beeindruckenden wirtschaftlichen und sozialpolitischen Entwicklung arbeitet in Bangladesch immer noch fast jedes Zehnte von 40 Millionen Kindern, die im Land leben. Besonders schwer betroffen ist die Hauptstadt Dhaka. In ihren Slums muss fast jedes zweite Kind mit 14 Jahren arbeiten, wie eine am Mittwoch veröffentlichte Studie des Overseas Development Institute in London zeigt.

Der Report

„Child labour and education“, Dezember 2016

Eines der überraschenden Ergebnisse: Ausgerechnet der Textilsektor, der Bangladesch in den vergangenen Jahren das Ziel zahlreicher auch internationaler Initiativen war, ist in Dhaka einer der größten Arbeitgeber für Kinder. Zwei Drittel der arbeitenden Mädchen aus den Slums der Hauptstadt sind demnach dort beschäftigt. Die meisten dieser Mädchen arbeiten in kleineren Fabrikeinheiten, die dann aber oft großen Exporteuren zuarbeiten", sagt Kevin Watkins, einer der Autoren der Studie. „Es steht völlig außer Frage, dass diese Kinderarbeit also am Ende auch für große westliche Firmen gemacht wird.“

Kurze Schulpflicht

Die Forscher haben für die Studie Kinder und Eltern aus 2.700 Haushalten befragt, die repräsentativ für rund eine halbe Million Slumbewohner in Dhaka stehen. Besonders stark scheint sich die nur sehr kurze Schulpflicht in Bangladesch auf die dort lebenden Kinder auszuwirken. Mit zehn Jahren, wenn die Schulpflicht endet, sind laut der Studie nur 8 Prozent von ihnen Kinderarbeiter. Bei den 14-Jährigen beträgt die Quote hingegen 45 Prozent.

Zu den wichtigsten Empfehlungen der Autoren der Studie gehört folglich, das schulpflichtige Alter auf 14 Jahre anzuheben und gleichzeitig die Ausbildung bis zu diesem Alter kostenlos zu machen. „Die Kinder, mit denen wir gesprochen haben, wollten zur Schule gehen“, sagt Studienautorin Maria Quattri. „Aber die Armut bringt die Eltern dazu, Arbeit für ihre Kinder zu suchen. Selbst dann, wenn sie erkennen, dass es ihre Zukunftsaussichten gefährdet.“

Mujibul Haque, Staatssekretär im Arbeitsministerium, stimmt einerseits zu, dass Kinderarbeit immer noch ein Problem sei. Er weist aber auch auf Erfolge seiner Regierung im Kampf dagegen hin. „Wir haben die Zahl der Kinder, die unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen arbeiten, zwischen 2003 und 2013 halbiert“, sagt er. „Damals waren es noch 3,4 Millionen, heute nimmt ihre Zahl täglich ab.“ Außerdem würden Fabrikbesitzer strafrechtlich verfolgt, wenn sie Kinder arbeiten ließen.

Ziel noch nicht erreicht

Die Regierung in Dhaka hatte sich 2010 zum Ziel gesetzt, dass es bis 2016 keine gesundheitsgefährdende Kinderarbeit mehr im Land gibt. Inzwischen wurde dieses Ziel auf 2021 verschoben. Bis 2030 soll es gar keine Kinderarbeit mehr geben.

Wahida Banu sieht große Hindernisse auf dem Weg zu diesem Ziel. Sie leitet die Nichtregierungsorganisation „Aparajeyo Bangladesh“, die sich für die Rechte von Kindern einsetzt. „Kinder in Bangladesch müssen zum Beispiel beim Fischfang, bei der Fischverarbeitung oder als Haushaltshilfe arbeiten, oft unter den riskantesten Bedingungen“, sagt sie. „Obwohl die Kinder teilweise wie Zwangsarbeiter gehalten werden, scheint die Regierung zögerlich, das Problem in diesen informellen Sektoren anzugehen.“

Auch Studienautor Watkins warnt: „Die größten Fortschritte im Kampf gegen Kinderarbeit hat Bangladesch auf dem Land gemacht.“ Besonders in den Slums der Städte gebe es aber noch immer riesige Probleme.

Er kritisiert, dass die Regierung ihre Gesetze nicht wie versprochen durchsetzt: „Selbst, wenn mal ein Fabrikbesitzer verurteilt wird: Die Strafen sind so klein, dass er einfach weitermacht. Was unsere Studie zeigt, ist dass wir es hier mit einem Problem des ganzen Landes zu tun haben, auf das dringend reagiert werden muss.“

Stefan Mauer, dpa

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