Der erste US-Raumfahrer, der die Erde umkreiste

Der erste Amerikaner im All ist er zwar nicht geworden. Dafür hält John Glenn zwei andere Raumfahrer-Rekorde - und galt nicht nur deswegen vielen als Held. Nun ist Glenn im Alter von 95 Jahren gestorben.

Am 20. Februar 1962 zwängte sich ein Mann auf dem Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida in die winzige Mercury-Kapsel „Friendship 7“. Farbfernsehen, Handys und Internet gab es damals noch nicht und selbst die Beatles waren noch keine Superstars. Als erster US-Raumfahrer umrundete John Glenn dann in knapp fünf Stunden den Planeten - und schrieb Geschichte.

Am Donnerstag ist Glenn, der danach auch noch zum Spitzenpolitiker und zum ältesten Amerikaner im All wurde, im Alter von 95 Jahren in seinem Heimatbundesstaat Ohio gestorben. „Der Tod von John Glenn macht uns traurig“, teilte die US-Raumfahrtbehörde Nasa per Twitter mit. „Ein wahrer amerikanischer Held.“

John Glenn 1962

APA/AFP/NASA/HO

John Glenn 1962

Er war nicht der Allererste

Geboren wurde Glenn 1921 im US-Bundesstaat Ohio als Sohn eines Eisenbahnschaffners. Nach einem Mathematikstudium kam er 1942 als Kadett zu den Marinefliegern. Schon zwei Jahre später flog er im Zweiten Weltkrieg von den Marshall-Inseln aus rund 60 Kampfeinsätze im Pazifik, Jahre später während des Korea-Feldzugs noch einmal so viele. Er zählte zu den erfolgreichsten Piloten seiner Zeit, wurde dutzendfach dekoriert. Dann testete er als Versuchsflieger neue Flugzeuge und wurde so schließlich Astronaut.

Der allererste Amerikaner im Weltraum wurde Glenn allerdings nicht. Diese Ehre wurde am 5. Mai 1961 dem 1998 gestorbenen Alan Shephard zuteil, der an Bord einer Mercury-Kapsel ins All geschossen wurde und wenige Sekunden in der Schwerelosigkeit verbrachte.

Glenn hatte sich der Legende nach mit einem Wutausbruch die Chance auf diese Pole-Position selbst verbaut: Das Mitglied der Presbyterianer-Kirche rief seine lebenslustigen Astronautenkollegen 1961 recht harsch dazu auf, nicht jeder Frau hinterherzurennen, weil sie damit den Ruf des gesamten Raumfahrtprogramms gefährdeten. Die verärgerten Kollegen rächten sich und stimmten dagegen, dass Glenn als erster oder zweiter Amerikaner ins All fliegt.

Obama: „Hat Generationen begeistert“

Den Rekord des ersten Amerikaners, der die Erde umrundet, bekam er 1962 dann aber trotzdem. „Der Tag hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt“, sagte er ein halbes Jahrhundert später dem Radiosender NPR. „Es fühlt sich an, als ob es erst zwei Wochen her wäre und nicht 50 Jahre. Zurückschauen ist okay - aber ich schaue lieber nach vorne.“

Nun schauen viele US-Prominente auf Glenns Leben zurück - und würdigen seine Verdienste. US-Präsident Barack Obama sagte, der Astronaut habe den Amerikanern beigebracht, dass es „mit Mut und Entdeckergeist keine Grenze gibt bei den Höhen, die wir zusammen erreichen können“.

Glenn habe Generationen von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Astronauten begeistert. „Der letzte von Amerikas ersten Astronauten hat uns verlassen. Aber ihr Beispiel lehrt uns, dass unsere Zukunft auf der Erde uns dazu zwingt, in neue Höhen zu streben.“

Der Chef der US-Raumfahrtbehörde NASA, Charles Bolden, sagte: „Glenns außergewöhnlicher Mut, Intellekt, Patriotismus und seine Menschlichkeit waren die Eckpunkte eines großartigen Lebens.“ Er sei „ein wahrer amerikanischer Held“ gewesen.

John Glenn 1998

APA/AFP/NASA/HO

John Glenn 1998

Ältester Astronaut im All

Am 29. Oktober 1998, mehr als drei Jahrzehnte nach seinem ersten, hatte Glenn seinen zweiten Rekord geschafft: Er startete mit 77 Jahren als ältester Astronaut zu einem neuntägigen Weltraumeinsatz. Millionen begeisterter Zuschauer - nun vor Farbfernsehgeräten - verfolgten, wie Glenn im Space Shuttle „Discovery“ abhob. Mit dem Flug sollte untersucht werden, wie sich die Schwerelosigkeit auf ältere Menschen auswirkt. Glenn überstand ihn problemlos und scherzte später, er habe beweisen wollen, „dass Senioren eines Tages Urlaub im All machen können“.

Die Zeit zwischen seinen Weltraumflügen nutzte er als erfolgreicher Politiker. 1974 gewann er - sicher unterstützt durch seinen Ruhm als Astronaut - die Wahl zum US-Senator. Den Posten hielt er fast ein Vierteljahrhundert. In der Politik musste der Demokrat allerdings auch harte Niederlagen einstecken. 1976 scheiterte er daran, Vize-Präsidentschaftskandidat von Jimmy Carter zu werden. 1984 nahm Glenn einen vergeblichen Anlauf, für seine Partei als Präsidentschaftskandidat ins Rennen zu gehen.

Fit bis ins hohe Alter

Trotzdem konnte Glenn, der 1943 seine Frau Anna Margaret heiratete und später mit ihr zwei Kinder bekam, von der Politik nie ganz lassen. Mit einem nach ihm benannten Institut an der Universität von Ohio wollte er Jugendliche für Regierungsämter fit machen. Auch in das Weltraum-Programm der NASA mischte er sich immer wieder öffentlichkeitswirksam ein und kritisierte zum Beispiel die Abhängigkeit von Russland bei den bemannten Raumflügen.

Bis ins hohe Alter hielt sich Glenn zudem mit Gewichtheben und Golf fit. Sein kleines Flugzeug verkaufte er erst mit fast 90 Jahren - nachdem sowohl er als auch seine Frau künstliche Kniegelenke eingesetzt bekommen hatten. Nur unter Schmerzen habe er sich von seiner Beechcraft Baron getrennt, sagte Glenn damals dem Radiosender NPR. „Aber ich liebe es immer noch zu fliegen, und das wird immer so bleiben.“

Marco Mierke und Christina Horsten, dpa

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