Genießer leben länger

Wer sein Leben genießt, hat es doppelt gut: Denn Lebensfreude erhöht auch die Lebenserwartung - zumindest statistisch. Das zeigt eine Untersuchung an britischen Senioren.

Andrew Steptoe vom University College hat in seiner letzten Studie 9.300 Briten (Durchschnittsalter 63) vier Fragen zu ihrer Gemütsverfassung gestellt: Haben Sie Freude an ihrem täglichen Tun? Genießen Sie die Anwesenheit anderer Menschen? Blicken sie auf Ihr Leben mit Freude zurück? Fühlen Sie sich energiegeladen?

„Der Zusammenhang zwischen positiven Gefühlen und Gesundheit wurde schon öfter untersucht. Allerdings nur auf Basis einer einzigen Befragung - das erzeugt gewisse Unsicherheiten. Man kann ja auch mal einen schlechten Tag haben“, sagt Steptoe gegenüber science.ORF.at. Um dieses Problem zu umgehen, hat der britische Epidemiologe seine Probanden vier Jahre lang begleitet und ihnen die gleichen Fragen mehrfach gestellt, drei Mal insgesamt.

Ursache und Wirkung unklar

Resultat: Diejenigen, die bei allen drei Gelegenheiten das Leben positiv beurteilten, waren gesundheitlich am besten in Schuss. Jedenfalls waren aus dieser Gruppe sieben Jahre später noch die meisten am Leben.

Die meisten Todesfälle gab es indes am anderen Ende der Zufriedenheitsskala, bei jenen, die angesichts ihrer Existenz kein einziges Mal Genuss („enjoyment“) empfanden. Lebensfreude kann die Sterbewahrscheinlichkeit um bis 24 Prozent reduzieren, resümieren die Forscher in der manchmal nicht ganz ernst gemeinten Weihnachtsausgabe des „British Medical Journal“.

Dass sich Freude und Wohlempfinden auch körperlich manifestieren - das haben schon frühere Untersuchungen nahe gelegt. Steptoes Studie belegt den Zusammenhang nun mit statistischer Präzision, Zufall ist mit großer Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Eine wichtige Frage bleibt allerdings unbeantwortet: Was ist Ursache, was Wirkung? Verlängert die Lebensfreude das Leben oder ist es umgekehrt - und die Freude gedeiht vor allem bei guter Gesundheit?

„Das ist auf Basis unserer Daten schwer zu sagen. Es könnte beides stimmen“, sagt Steptoe. „Wir haben einige Einflussfaktoren genauer untersucht, etwa Bildung, Wohlstand und Gesundheitszustand. Und es zeigt sich: Selbst wenn man diese Faktoren herausrechnet, bleibt der Zusammenhang zwischen Lebensfreude und der Überlebensrate weiter bestehen.“

Empfehlung: Sozialkontakte pflegen

Ein Detailergebnis der Studie: Frauen schnitten bei der Befragung besser ab als Männer. Sie sind, was die Lebensfreude betrifft, offenbar im Vorteil. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass Frauen im höheren Alter eher imstande sind ihre Sozialkontakte weiterhin zu pflegen.

Ähnliches gilt für diesen Befund: Verheiratete sind statistisch betrachtet glücklicher als Ledige. Ein medizinisches Argument für die Heirat? „Nun, soweit würde ich nicht gehen. Eine Ehe kann gut oder miserabel ausfallen, je nachdem, wie die Beziehung ist“, so Steptoe. „Aber die Ehe ist zweifelsohne eine wichtige Sozialbeziehung - und das ist es auch, was ich älteren Menschen empfehlen würde: Es lohnt sich, Kontakt zu Freunden und zur Familie zu halten, Gemeinschaft ist wichtig.“

So bleibt denn, da sich Ursache und Wirkung nicht endgültig trennen lassen, zumindest eine semantische Erkenntnis: Glück und langes Leben sind im Glückwunsch nicht von Ungefähr vereint. Wer das eine hat, hat in der Regel auch das andere.

Robert Czepel, science.ORF.at

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