Retroviren deutlich älter als gedacht

HIV, der Erreger der Immunschwächekrankheit Aids, ist der wohl prominenteste Vertreter der Retroviren. Die Virusfamilie ist laut Forschern viel älter als gedacht: 450 Millionen Jahre.

„Über die Ursprünge der Retroviren war bisher wenig bekannt“, sagt Studienautor Aris Katzourakis von der Universität Oxford. „Das lag vor allem daran, dass es von diesen Viren keine Fossilien gibt.“ Katzourakis und seinem Team ist es nun mit Hilfe genetischer Daten gelungen, die Urgeschichte dieser Erreger zu rekonstruieren.

Im Meer entstanden

Die Analyse zeigt: Die Retroviren sind offenbar im Meer entstanden - ungefähr in der gleichen Zeit wie die Wirbeltiere, also vor einer knappen halben Milliarde Jahre. Bisher ging man davon aus, dass die Virenfamilie viel später, vor 100 Millionen Jahren, entstanden sei.

Die Studie

„Marine origin of retroviruses in the early Palaeozoic Era“, Nature Communications (10.1.2016).

Das „Retro“ in ihrem Namen bezieht sich übrigens auf den Umstand, dass ihr Erbgut aus RNA besteht, die wiederum zur Infizierung des Wirtes in DNA umgeschrieben wird – in normalen Tier- und Pflanzenzellen ist es genau umgekehrt, hier ist die DNA das Erbmolekül und die RNA eine Abschrift desselben. Retroviren können neben AIDS auch diverse Krebsarten und Autoimmunkrankheiten auslösen.

Immunsystem unter Zugzwang

Katzourakis zufolge dürfte das Auftreten der Erreger zu einem „Wettrüsten“ mit ihren Wirten geführt haben. Die sogenannte spezifische Immunabwehr – mit ihrer Hauptwaffe, den Antikörpern – entstand nämlich ebenfalls in dieser Epoche. Laut Katzourakis ist das kein Zufall: „Die Retroviren haben vermutlich eine Schlüsselrolle bei der Entstehung dieses wichtigen Verteidigungsmechanismus gespielt.“

Robert Czepel, science.ORF.at

Mehr zu diesem Thema: