Tabubrüche im „Plan A“

Mit einer Art SPÖ-internem Tabubruch wartet der von Bundeskanzler Christian Kern gestern vorgestellte „Plan A“ im Universitätsbereich auf. Darin spricht sich Kern für eine generelle Studienplatzfinanzierung inklusive Platzbeschränkungen aus.

Auch mit dem Reizwort „Selektion“ hat er kein Problem: „Es geht um Leistungsselektion statt sozialer Selektion“, heißt es darin. Demzufolge soll es auch keine Studiengebühren geben.

Maximalzahl an Studierenden angestrebt

In dem Papier spricht sich Kern für „eine klare Steigerung der budgetären Mittel (für die Hochschulen, Anm.) in Richtung zwei Prozent des BIP“ aus - wie sich Regierung und Parlament schon seit Jahren vorgenommen haben. Diese sollen für einen Ausbau der Kapazitäten, die Verbesserung der Betreuungsverhältnisse und die Steigerung der Studienqualität ausgegeben werden. Das müsse aber Hand in Hand gehen „mit einer generellen Strukturreform an den Unis und insbesondere mit der Einführung eines Systems zur Studienplatzfinanzierung“.

Kerns Rede in Wels

SPÖ-Chef Bundeskanzler Christian Kern hat am Mittwoch, 11. Jänner, in einer Grundsatzrede vor 1.500 Zuhörern in Wels seine Visionen für die Zukunft seiner Partei und für Österreich präsentiert.

Kern strebt eine „stärkere Steuerung der Studierendenflüsse seitens der öffentlichen Hand“ sowie eine Verbesserung des Beratungsangebots an. Im Auge hat er primär (ohne Fächer zu nennen) die „Studienklassiker“ mit hohen Studierendenzahlen und schlechten Betreuungsverhältnissen. „Im Gegensatz zur aktuellen Situation könnte sich die Zahl der Studienplätze (unter Einbeziehung jährlich steigender Studierendenzahlen) von einer Mindestzahl zu einer Maximalzahl wandeln, die sich an der aktuellen AbsolventInnenzahl zuzüglich einer Drop-out-Rate orientiert“, heißt es dann. Das deckt sich in etwa mit den Vorstellungen der Universitätenkonferenz.

Bundeskanzler Christian Kern bei seiner Grundsatzrede in Wels

APA - Barbara Gindl

Bundeskanzler Christian Kern in Wels

Bachelorstudien gruppieren, mehr MINT

Unter dem Stichwort „Uni mal anders gedacht“ regt Kern an, Bachelorstudien in größere Studiengruppen zusammenzuführen - etwa Kunst, Naturwissenschaft, Medizin, Wirtschafts- und Geisteswissenschaften. Je nach Gruppe soll dann die öffentliche Hand entscheiden, wie viele Plätze finanziert werden.

Gleichzeitig plädiert Kern aber für den Ausbau „zukunftsträchtiger Studienfächer“ etwa im Bereich der MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). An Unis und Fachhochschulen sollen 5.000 zusätzliche Plätze geschaffen werden.

Klassische SPÖ-Forderungen neben der Ablehnung von Studiengebühren finden sich im „Plan A“ ebenfalls: So sollen die Einkommensgrenzen für die Studienbeihilfen valorisiert und die Gruppe der Bezieher ausgeweitet werden. Forciert werden soll auch der Zugang zum Studium ohne Matura - etwa durch mehr berufsbegleitende Studien sowie durch Aufbau- und Kurzstudien.

Exzellenzcluster nach deutschem Vorbild

Außerdem will Kern die Qualität der Hochschulen verbessern und drei Universitäten unter die Top 100 weltweit bringen. Gelingen soll das durch den Aufbau von Exzellenzclustern nach Vorbild der deutschen Exzellenzinitiative: Hervorragende Wissenschaftler sollen für die Forschung zu einem gesellschaftlich relevanten Thema an einem Standort zusammengebracht werden.

Insgesamt sollen dadurch in einem Wettbewerb der Unis zehn vom Staat finanzierte Exzellenzcluster entstehen, die sich inhaltlich mit fünf angedachten Start-up-Clustern decken. In einem zweiten Schritt sollen daraus vier per „Exzellenzprämie“ geförderte Exzellenzunis entstehen, die sich auf bestimmte Themengebiete spezialisieren.

Forschungsministerium, mehr Fördergelder

Mehr Effizienz ist das Ziel bei der Forschungsförderung. Auf Bundesebene soll es statt derzeit zehn künftig nur noch drei Förderstellen geben, jeweils eine für Grundlagen-, angewandte Forschung und Unternehmensfinanzierung. Die Zahl der mit Forschungsfragen befassten Verwaltungsabteilungen (derzeit 113 beim Bund, 103 bei den Ländern) soll reduziert und die Forschungsagenden von Wissenschafts-, Infrastruktur- und Landwirtschaftsministerium sollen zusammengezogen werden. Das künftige „Forschungsministerium“ soll außerdem zentral die thematische Schwerpunktsetzung bei der angewandten Forschung vorgeben.

Die Universitäten sollen wiederum künftig einen geringeren Teil ihrer Budgets über die Basissubvention und stärker über Leistungsvereinbarung und Wettbewerb erhalten. Wie für die Unis soll es auch für die Forschung mehr Geld geben: Kern möchte die direkte Forschungsförderung und die Forschungsprämie erhöhen, bei Letzterer soll allerdings künftig strikt überprüft werden, wofür sie verwendet wird. Am langjährigen Ziel der Regierung, die F&E-Ausgaben auf 3,76 Prozent zu steigern, hält Kern fest.

Lob von Rektoren

Gemischt sind die Reaktionen auf die Kerns Pläne: Während es von Universitätenkonferenz (uniko) und Heinz Engl, Rektor der Uni Wien, in Aussendungen Applaus gab, fürchtet die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) um den freien Hochschulzugang. Für uniko-Präsident Oliver Vitouch zeugen Kerns Pläne von „Dynamik, Vision und dem Wunsch zu gestalten“, sein Bekenntnis zu einer Studienplatzfinanzierung mache Hoffnung auf eine Auflösung der lange währenden Blockaden zwischen SPÖ und ÖVP in der Hochschulpolitik.

Heinz Engl betonte in einer Stellungnahme gegenüber der APA, dass die Studienplatzfinanzierung notwendigerweise mit Aufnahmeverfahren einhergehen müsste, die den „vorhandenen und auszuweitenden Kapazitäten Rechnung tragen“. „Ermutigend“ findet Engl auch Kerns Bekenntnis zur Steigerung der Forschungsquote. Europa müsse hier massive Anstrengungen unternehmen, um den Anschluss an die Weltspitze zu halten.

Kritik von Studentenvertretern

„Die direkte Form der Studienplatzfinanzierung darf nicht zu Zugangsbeschränkungen führen“, betonte die stellvertretende ÖH-Vorsitzende Marie Fleischhacker (Grüne und Alternative StudentInnen, GRAS). Die geplante Leistungsselektion bringe keine bessere soziale Durchmischung an den österreichischen Hochschulen. Andere Studentenvertreter wie die ÖVP-nahe AktionsGemeinschaft und die JUNOS - Junge Liberale Studierenden - befürworten hingegen den „Plan A“ für die Universitäten.

science.ORF.at/APA

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