Kisspeptin macht Lust auf Sex

Seit den 1990er Jahren ist das Hormon Kisspeptin bekannt. Mit Küssen habe der Botenstoff nichts zu tun, dachte man bisher - doch wie sich nun herausstellt: eigentlich doch.

Kuriose Namen für Gene haben sich die Molekularbiologen im Lauf der vergangenen Jahrzehnte schon einige einfallen lassen. Da gibt es etwa eines namens Swiss Cheese, das bei entsprechender Mutation - nomen est omen - Löcher im Gehirn von Fruchtfliegen erzeugt. Der Transkriptionsfaktor Ken and Barbie wiederum steuert die Entwicklung der Geschlechtsorgane. Ist er defekt, ist da allerdings kein Organ, und zwar wirklich gar nichts - so wie bei den Plastikpuppen aus dem Hause Mattel.

Und Mutationen im Gen Cheap Date machen die Träger derselben (wir sind noch immer bei Fruchtfliegen) empfänglicher für die Wirkung von Alkohol. Synonym ist übrigens der Name Amnesiac in Gebrauch, der gleiche Erbfaktor steht nämlich auch mit erblicher Gedächtnisschwäche in Zusammenhang.

Die Studie

„Kisspeptin modulates sexual and emotional brain processing in humans“, Journal of Clinical Investigation (23.1.2017).

Erotik-Experiment

Der Reihe ausgefallener Namen hat der amerikanische Krebsbiologe Danny Welch 1996 einen weiteren hinzugefügt. Das Gen Kiss1, ein Modulator des menschlichen Hormonhaushalts, erhielt diesen aus geografischen Gründen: Welsh entdeckte den Erbfaktor in Hershey, Pennsylvania - jener Stadt, aus der die in Amerika recht beliebte Schokolade Hershey’s Kisses stammt. Mittlerweile wurden vielfältige Wirkungen des Peptids entdeckt, der Botenstoff hemmt etwa die Entwicklung von Metastasen und greift bei Säugetieren in die Reifung der Geschlechtsorgane ein.

Wie Waljit Dhillo vom Imperial College London nun herausfand, passt der Name durchaus im wörtlichen Sinne. Der britische Mediziner verabreichte Männern eine Dosis Kisspeptin, wie das Hormon auch genannt wird, und legte seinen Probanden danach Fotografien mit zwischenmenschlichen Motiven vor, von Händchenhalten bis hin zu sexuell expliziten Darstellungen.

Resultat: Das Hormon steigerte die Wirkung der Bilder, was sich auch an der Aktivität der Neuronen im limbischen System (dem Emotionszentrum des Gehirns) nachweisen ließ. Kisspeptin hob den Versuchen zufolge die Stimmung sowie den inneren Antrieb - auch das Motive, die der Libido wohl zuträglich sind. Die Substanz, sagt Welsh, „führt nicht notwendigerweise dazu, dass Menschen mehr Sex haben. Aber sie haben mehr Spaß dabei.“ Dementsprechend böte sich das Molekül für therapeutische Zwecke an. Vor allem für Patienten mit Störungen des Lustempfindens.

Robert Czepel, science.ORF.at

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