Wenn der Wohnort dick macht

Manche Menschen neigen von Natur aus zum Dickwerden. Wenn dann noch andere Faktoren wie widrige soziale Umstände dazu kommen, sind sie Forschern zufolge besonders gefährdet. Auch der Wohnort sei im Kampf gegen Übergewicht zu berücksichtigen.

Unterschiede beim Einkommen, bei Bildung, Alter, Herkunft - all diese Faktoren können nicht vollständig erklären, warum Übergewicht in Städten wie Genf und Lausanne ungleichmäßig verteilt ist. Das hatten Studien aus den Jahren 2014 und 2016 gezeigt. Nun liefert das internationale Forscherteam um Stephane Joost von der ETH Lausanne (EPFL) das fehlende Element: die genetische Prädisposition.

Die Studie

„Gene–obesogenic environment interactions in the UK Biobank study“, International Journal of Epidemiology, 10.1.2017

Dieses genetisch bedingte Risiko für Übergewicht errechneten die Wissenschaftler anhand von 69 Genvarianten. Die Wahrscheinlichkeit, auch tatsächlich übergewichtig zu werden, sei dann besonders groß, wenn zu den Genen noch widrige soziale Umstände hinzukommen.

Stadtplan sozialer Umstände

Auf die Spur dieses Zusammenhangs kamen die Lausanner Forschenden in Zusammenarbeit mit Kollegen der University of Exeter, die Daten von 120.000 Briten aus der britischen Biobank untersuchten. Den Befund daraus bestätigten sie anschließend anhand der „CoLaus“-Kohortenstudie mit 6.000 Einwohnern der Stadt Lausanne.

Die Wissenschaftler nutzten den sogenannten „Townsend Deprivation Index“, der aus dem Jahr 1987 stammt. Damit lässt sich ein Stadtplan der sozialen Umstände zeichnen, aufbauend auf vier Faktoren: dem Anteil Arbeitsloser, wie viele Personen pro Zimmer in einer Wohnung zusammenleben, sowie dem Anteil Auto- und Hausbesitzer.

Ein Kilogramm mehr

Auch wenn viele heute freiwillig auf ein Auto verzichten und dies nicht zwingend den sozialen Status wiedergibt, zeigt der Index für Lausanne einen klaren Trend: Einen sozial schwächeren Westen und „reicheren“ Osten. Anschließend untersuchten die Forscher, wo in der Stadt sich die genetische Prädisposition besonders in einem Body-Mass-Index niederschlug. Auch hier: Im Westen Lausannes mehr als im Osten.

Wie stark das Umfeld den Effekt der Gene verstärkt, sei wegen der relativ kleinen Teilnehmerzahl schwer zu bestimmen, schrieben EPFL und CHUV. In der britischen Studie der University of Exeter mit 120.000 Personen, ließ sich der Unterschied eher beziffern: Ein niedriger Lebensstandard bedeutete dort fast ein zusätzliches Kilogramm Körpergewicht für eine durchschnittlich große Person.

Die Studie zeige, dass es nicht reiche, Gesundheitskampagnen gegen gezuckerte Getränke und frittiertes Essen durchzuführen, sagte Joost gemäß der Mitteilung. Man müsse auch fragen, in welchem Maß die Städteplanung beitragen könne, gegen das Problem zunehmenden Übergewichts vorzugehen.

science.ORF.at/APA/sda

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