4.000 Lkw-Ladungen Schnee in Sekunden

Am 18. Jänner hat eine Lawine in den italienischen Abruzzen das Hotel Rigopiano verschüttet. 29 Menschen kamen dabei ums Leben. Wie monströs diese Lawine war, zeigen nun die Analysen österreichischer Forscher.

Durch Messungen vor Ort und Computermodelle berechneten die Forscher um Jan-Thomas Fischer vom Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) das Volumen der Lawine und kamen auf 200.000 Kubikmeter Schnee. „Das entspricht bei so dicht abgelagertem Lawinenschnee ungefähr 80.000 Tonnen, das sind 4.000 Lkw-Ladungen Schnee“, so Fischer, der gemeinsam mit vier weiteren BFW-Fachleuten auf Einladung der italienischen Behörden vor Ort in Farindola war.

Druck von zehn gestapelten Autos

Auf einer Fläche von umgerechnet sechs Fußballfeldern ist der Schnee in einer Höhe von drei bis dreieinhalb Metern liegen geblieben - punktuell war es deutlich mehr. Auch für Lawinenexperten war das eine große Katastrophenlawine, so Jan-Thomas Fischer: „Die letzten Großereignisse, die da zu nennen wären, sind sicherlich Galtür 1999 oder - wenn man dann weiter zurückgeht - 1988 die Wolfsgrubenlawine in St. Anton.“

Retter und das verschüttete Hotel Rigopiano

CNSAS / AFP

Mit bis zu 100 Kilometern pro Stunde ist die Lawine zu Tal gerast. Der Druck, den die Schneemassen ausgeübt haben, entspricht dem von zehn über einander gestapelten Autos, so die Analyse. Schneehöhe messen, Schichten analysieren, Schäden untersuchen - das ist der eine Teil der Forschungsarbeit. Der andere Teil ist Arbeit am Computer, wo Modelle und Simulationen erstellt werden.

Eichen der Modelle

Für die Wissenschaft ist es wichtig, vor Ort arbeiten zu können: „Man versucht, Vorhersagen der Größenordnung solcher Ereignisse zu machen. Die Werkzeuge, die man beispielsweise für Simulationen verwendet, müssen geeicht werden. Und die einzigen Eichdaten, die man dafür hat, kommen aus solchen sehr seltenen Extrem- oder Katastrophenereignissen.“

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal am 31.1. um 12:00

Nachdem die Lawine durch Bergungsarbeiten und das Wetter verändert wird, müssen Forschungsarbeiten möglichst schnell stattfinden - aufgrund der Kontakte zwischen italienischen und österreichischen Lawinenexperten war das möglich.

Trotz der zahlreichen Details, die nun vorliegen, muss aber eine Frage offen bleiben: Warum hat sich eine so katastrophale Lawine überhaupt gelöst? Der Hauptgrund war wohl eine große Menge Neuschnee innerhalb kurzer Zeit, eventuell in Kombination mit dem wenige Stunden vorhergegangenen Erdbeben. Ob auch Abholzung und illegale Bautätigkeit in einer gefährlichen Zone eine Rolle gespielt haben, dazu gibt es bis heute nur Spekulationen, die derzeit von der italienischen Staatsanwaltschaft geprüft werden.

Elke Ziegler, science.ORF.at

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