Deutschland kündigt Elsevier-Verträge

Das Geschäft mit wissenschaftlichen Journalen war lange Zeit eine Goldgrube. Doch gegen die rasant steigenden Preise formiert sich zunehmend Widerstand. Deutschland stellt dem Branchenriesen Elsevier nun die Rute ins Fenster: den „Elsexit“.

In der Branche gärt es. Der britische Chemiker Peter Murray-Trust ist einer, der sich mit den Wissenschaftsverlagen schon seit Jahren im Clinch befindet. Die Preise für Zeitschriftenabonnements, so Murray-Trusts Vorwurf, seien unverschämt. Dabei werde die ganze inhaltliche Arbeit - Studien, Peer Review, Herausgeberschaft - ohnehin von den Forschern geleistet. Unentgeltlich, wohlgemerkt. Denn bezahlt werden die Forscher von den Steuerzahlern, die für das Recht, von ihnen finanzierte Studien lesen zu dürfen, noch ein zweites Mal tief in die Tasche greifen müssen.

Niederlande hatten keinen Plan B

Ähnlich argumentierten letztes Jahr die niederländischen Universitäten. Die Verhandlungen mit dem Marktführer Elsevier drohten zu scheitern, ein Boykott des Verlags stand zwischenzeitlich im Raum. Mittlerweile hat man sich auf einen Kompromiss geeinigt. Dieser sieht vor, dass 30 Prozent aller niederländischen Studien ab 2018 für jeden frei zugänglich online gestellt werden. Angestrebt hätten die Niederländer eigentlich mehr, nämlich vollständigen „Open Access“.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 13.2., 13:55 Uhr.

Insofern ist das Endergebnis der resolut gestarteten Verhandlungen „nur ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Horst Hippler. „Das Problem bei den Niederländern war, dass sie keinen echten Notfallplan vorbereitet hatten“, so der Vorsitzende des Konsortiums DEAL, das deutsche Unis und Forschungsträger bei den Verhandlungen mit Wissenschaftsverlagen vertritt.

Deutschland: „Angebot inakzeptabel“

Die Ankündigung von Konsequenzen ist, das ist die Lehre daraus, eben immer nur so wirksam wie die Aussicht auf deren Verwirklichung. Eingedenk dessen hat Hippler nun den Druck erhöht: 60 deutsche Institutionen - darunter etwa die Uni Göttingen oder die TU München - haben bereits ihre Verträge mit Elsevier gekündigt oder auslaufen lassen, dieses Jahr könnten 200 weitere folgen.

Grund für die harte Gangart ist der, Zitat Hippler, „unerfreuliche“ Zwischenstand der Verhandlungen. Elsevier sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bereit, einen Preis für ein Lizenz-Gesamtpaket inklusive Open Access für deutsche Studien zu nennen - und biete lediglich eine Fortführung der bisherigen Verträge mit saftigen Preiserhöhungen an. Das sei inakzeptabel, sagt Hippler.

„Elsexit“: Notfallprogramm in Kraft

So tritt nun tatsächlich Plan B in Kraft. Der lautet: Wenn deutsche Wissenschaftler Studien aus dem Verlagshaus Elsevier benötigen, dann besorgt man diese via Fernleihe, ganz „old school“ in Papierform. Hipppler: „Das ist zwar nicht so bequem wie es bisher war, aber das bedeutet natürlich nicht, dass man deshalb nicht weiter arbeiten könnte.“

Deutschland ist im Übrigen nicht das einzige europäische Land, das gegenwärtig mit Elsevier Verhandlungen führt. Auch die Schweden, Finnen und Norweger tun das, Frankreich und Polen werden folgen. Die Zeiten, da jedes Land seine Verträge im stillen Kämmerlein aushandeln musste, scheinen vorbei zu sein. Man tauscht sich aus und versucht den Weg zum freien Wissenszugang gemeinsam in Transparenz zu ebnen. „Alles andere wäre auch nicht zeitgemäß. Hier geht es schließlich um Steuergelder“, sagt Hippler.

Dass dieses Ansinnen nicht immer von Erfolg gekrönt sein oder zumindest zu offiziellen Lösungen führen muss, zeigt das Beispiel Peru. Wie die Zeitschrift „Nature“ berichtet, kann oder will die Regierung des südamerikanischen Landes die Lizenzen für Elsevier nicht weiter bezahlen. Mit dem Ergebnis, dass sich die hiesigen Forscher benötigte Arbeiten als Raubkopie organisieren, vor allem aus der Schattenbibliothek Sci-Hub. Dort lagern laut Wikipedia mittlerweile mehr als 48 Millionen Papers - illegal.

Robert Czepel, science.ORF.at

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