Fremde Arten weiter auf dem Vormarsch

Ökologen sind bis vor Kurzem davon ausgegangen, dass die Verschleppung fremder Arten ihren Höhepunkt erreicht hat. Doch das ist nicht der Fall: Die Exoten verbreiten sich rasanter denn je - mit unabsehbaren Folgen für die heimische Flora und Fauna.

Als Vasco da Gama im Jahr 1498 Indien auf dem Seeweg erreichte, fand vielleicht auch das eine oder andere mitgereiste Kleintier oder Gewächs eine neue Heimat.

Seit Jahrhunderten verbreiten sich Tier- und Pflanzenarten durch menschliche Mobilität auf der ganzen Welt. Ein internationales Team aus 45 Forschern und Forscherinnen schaute sich nun die vergangenen 200 Jahre der Ausbreitung der Arten genauer an.

Die Studie

„No saturation in the accumulation of alien species worldwide“, Nature Communications (15.2.2017).

Sendungshinweis

Diesem Thema widmete sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell (15.2.2017).

Sie wollten wissen, ob heute eine Art Sättigung eingetreten ist. Erwartet hatten Sie, dass sich Arten heute nicht mehr so stark ausbreiten, weil mittlerweile jedes Tier und jede Pflanze bereits dorthin verschleppt sein müsste, wo es bzw. sie gute Überlebensbedingungen vorfindet und sich daher bereits verbreiten konnte.

Das Ergebnis ist überraschend, meint Franz Essl, Biologe an der Universität Wien und einer der Koordinatoren der Studie. „Es gibt keine Abflachung, im Gegenteil, seit dem Zweiten Weltkrieg hat die vom Menschen verursachte Verschleppung über Kontinente hinweg massiv zugenommen.“

1,5 neue Arten pro Tag

Koordiniert wurde die Studie neben Essl von Hanno Seebens von der Senckenberg Gesellschaft in Frankfurt. Die Wissenschaftler erstellten eine Datenbank mit rund 46.000 sogenannten Erstnachweisen nicht heimischer Tier- und Pflanzenarten auf der ganzen Welt. Die Datenbank umfasst rund 17.000 Arten, die sich während der vergangenen 200 Jahre an „fremden“ Orten ausgebreitet haben, und hält das Datum ihres Erstvorkommens fest.

Nordamerikanisches graues Eichhörnchen

Tim M. Blackburn, University College London

In Großbritannien hat das amerikanische graue Eichhörnchen das heimische nahezu verdrängt

Die meisten Erstnachweise solcher nicht heimischen Arten gibt es der Auswertung zufolge zwischen 1970 und 2014. In dieser Zeit wurden rund 37 Prozent aller Erstfunde registriert. „Derzeit ist es so, dass mindestens 1,5 neue Arten pro Tag nachgewiesen werden, mutmaßlich angetrieben durch den stark angestiegenen globalen Handel“, so Essl. Doch auch der Klimawandel und die menschengemachte Zerstörung natürlicher Lebensräume tragen dazu bei, dass sich Tier- und Pflanzenarten weiterhin über Kontinente verbreiten.

Gefahr für Biodiversität

Neue Arten können dabei heimische verdrängen - und so die lokale Biodiversität zerstören. Jeder Kontinent und auch jede Inselgruppe hat eine ganz eigene Artengarnitur. „Durch den Einfluss des Menschen sind viele Ausbreitungsbarrieren aufgehoben worden. Das führt wiederum dazu, dass sich die Artengemeinschaften weltweit immer mehr ähneln“, so Essl.

Heimische Arten, die nur in einer Region vorkommen und vielfach bereits durch den Menschen in ihren Lebensräumen eingeschränkt sind, geraten durch die Konkurrenz neuer Arten noch weiter unter Druck. Nicht mehr Artenvielfalt, sondern eine höhere Aussterbensrate ist die Folge.

Insekten besonders mobil

Gesetzliche Maßnahmen gegen die Invasion fremder Arten gibt es bereits - sie sollten aber noch mehr spezialisiert werden und sich auf jene Arten konzentrieren, deren Ausbreitung besonders negative Auswirkungen haben, empfiehlt Essl. Besonders gefährlich für den Menschen ist etwa die asiatische Tigermücke. Sie gilt als Überträgerin von Krankheiten. In Österreich ist die Ambrosie, eingeschleppt aus Nordamerika, derzeit ein Thema. Die Pflanze hat sehr allergene Pollen, die vor allem Heuschnupfenallergikern zu schaffen macht.

Besonders stark verbreiten sich gegenwärtig Insekten, berichtet Essl. Während sie lange Schiffsreisen wie bei Vasco da Gama aufgrund ihrer Kurzlebigkeit nicht überstanden, profitieren sie heute vom raschen Ferntransport über Flugzeuge.

Hanna Ronzheimer, Ö1-Wissenschaft

Mehr zu diesem Thema: