Afrikaner im KZ Mauthausen

In Mauthausen, dem größten KZ auf österreichischem Boden, waren in den sieben Jahren seines Bestehens insgesamt 197.464 Menschen eingesperrt. Bis vor Kurzem nicht bekannt: Unter den Häftlingen befanden sich auch Menschen afrikanischer Herkunft.

Heute Vormittag wurde eine neue Studie zu diesem Thema vorgestellt. „Diese Studie kommt nicht aus der Zeitgeschichteforschung - sie ist sehr stark unter den schwarzen Menschen in Österreich verankert, auch in Form von wissenschaftlichem Know-how“, sagt Walter Sauer, Wirtschafts- und Sozialhistoriker von der Universität Wien.

Die Studie

„Afrikanerinnen und Afrikaner im KZ Mauthausen: Teilauswertung der Datenblätter im Archiv der KZ-Gedenkstätte Mauthausen“ wurde von Barbara Fuchslehner (Bibliothek der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien) und Karin Röhrling (Österreichischer Bibliothekenverbund) erstellt.

Wissenschaftlich betreut wurde sie von Walter Sauer vom Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien und Simon Inou von M-Media.

157 Häftlinge identifiziert

Bilanz der Untersuchung: 157 der Häftlinge, darunter drei Frauen, hatten Wurzeln auf dem afrikanischen Kontinent. Die meisten Häftlinge stammten aus Algerien (104) sowie aus Tunesien, Marokko und Ägypten (insgesamt 40), es waren aber auch Menschen aus der Karibik und aus Südafrika darunter.

„Wir waren sehr überrascht: Ursprünglich gingen wir davon aus, dass wir ungefähr 60 Personen identifizieren können. Tatsächlich waren es um vieles mehr“, sagt Studienautorin Barbara Fuchslehner.

Von zwei Häftlingen existieren auch Fotos - einer davon ist Jose Carlos Grey Key: Er kam aus Barcelona. Seine Eltern stammten aus Äquatorial-Guinea. Grey Key war republikanischer Kämpfer im Spanischen Bürgerkrieg und danach Mitglied der französischen Resistance. 1942 wurde er in das KZ Mauthausen überstellt. Grey Key erlangte Bekanntheit als „Diener“ des Lagerkommandanten. Er überlebte die Haft.

José Carlos Grey Key

Museu d’História de Catalunya, Fondo Amical de Mauthausen (Barcelona)

Jose Carlos Grey Key

Überraschenderweise wurde bei der Aufnahme in das Lager die Hautfarbe nicht in der Häftlingskartei vermerkt. Die Nationalität der betreffenden Häftlinge war meist auch nicht die eines afrikanischen, südamerikanischen oder karibischen Landes, sondern der Großteil der schwarzen bzw. arabischen Häftlinge des KZ Mauthausen waren französische Staatsbürger.

Sendungshinweis

Über diese Studie berichtet heute auch das Ö1-Mittagsjournal (6.3., 12.00 Uhr).

„Politische“ Häftlinge

Sie wurden nicht wegen ihrer Hautfarbe oder aus rassenpolitischen Gründen verfolgt, sondern kamen als „Schutzhäftlinge“ oder „Vorbeugungshäftlinge“ in das KZ. Sie waren also „politische“ Häftlinge. „Auf den Häftlingspersonalkarten waren die körperlichen Merkmale der Häftlinge bis ins kleinste Detail notiert, unter anderem die Haarfarbe, die Augenfarbe, Tätowierungen, Operationsnarben. Aber wir haben bis auf ganz wenige Ausnahmen nirgendwo einen Hinweis auf die Hautfarbe gefunden“, so Fuchslehner. Dementsprechend schwierig habe sich die Identifikation gestaltet.

Weitere Resultate im Überblick: 84 der identifizierten Häftlinge erlebten die Befreiung in Mauthausen; 61 Häftlinge verstarben in Mauthausen oder Nebenlagern des KZ; zwölf Personen wurden von Mauthausen in andere KZ überstellt. Über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt.

Forscher fordern Mahnmal

Die Idee zur Studie geht auf den Lagebericht „Schwarze Menschen in Österreich“ aus dem Jahr 2010 zurück, in der u. a. das Fehlen eines Mahnmales für die afrikanischen Opfer des Nationalsozialismus in Mauthausen kritisiert wurde. Weiters gab es bereits eine Studie des deutschen Orientalisten und Islamwissenschafters Gerhard Höpp über die arabischen Häftlinge in Mauthausen sowie den Band „Zwischen Charleston und Stechschritt. Schwarze im Nationalsozialismus“ von Peter Martin und Christine Alonzo, in dem Mauthausen berücksichtigt ist.

Für die vorliegende neue Studie konnte aus Kostengründen lediglich ein Teil der insgesamt 169.000 Datenblätter aus dem Archiv der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, die vom Bundesministerium für Inneres verwaltet wird, ausgewertet werden. Die Studie ist daher als Teilergebnis zu betrachten.

Die Autoren halten es für notwendig, dass die Forschung auf diesem Gebiet fortgesetzt wird. Ihr Fazit: Auf dem Gelände der Gedenkstätte Mauthausen sollte ein Mahnmal für die KZ-Häftlinge afrikanischer Herkunft errichtet werden (analog zur bestehenden Gedenktafel für die kubanischen Gefangenen). Das Schicksal der KZ-Häftlinge afrikanischer Herkunft sollte auch in Schulbüchern und Unterrichtsmaterialien berücksichtigt werden.

Sabine Nikolay, Ö1-Wissenschaft

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