Beinverlängerung mittels Fernsteuerung

Patienten mit unterschiedlich langen Beinen erhalten durch eine neue Behandlungstechnik Hilfe: Ein von außen steuerbarer „Teleskopnagel“ sorgt für die Verlängerung des kürzeren Beines.

Verspannungen, schmerzhafte Wirbelsäulenverkrümmungen oder ein schiefes Becken können die Folge von unterschiedlich langen Beinen sein, das weiß auch Susanne Fuchshuber. 2015 hatte die 47-Jährige einen schweren Radfahrunfall mit Schenkelhalsbruch, danach war eines ihrer Beine um zwei Zentimeter kürzer.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 16.3. 13:55

„Man glaubt gar nicht, wie stark sich eine Beinlängendifferenz auswirkt. Man fühlt sich unrund, bekommt Kreuz- und Gelenksschmerzen, bei mir hat etwa das Knie zu schmerzen angefangen.“ Fast jeder von uns hat übrigens Beine, die nicht gleich lang sind. Beträgt der Unterschied aber mehr als zwei Zentimeter, kann es zu den genannten Problemen kommen.

Dehnung auf Knopfdruck

Der „Teleskopnagel“ kann sowohl in den Ober- als auch den Unterschenkelknochen implantiert und mit Hilfe einer Fernsteuerung verlängert werden, und zwar via Magnetfeld, so Rudolf Ganger, Vorstand der Abteilung für Kinderorthopädie und Fußchirurgie am Orthopädischen Spital Speising: „Im Nagel ist ein kleiner Magnet eingebaut, der um eine Achse rotieren kann. Er ist mit einem Getriebe verbunden, das die Umdrehungen übersetzt und so den Nagel ausfahren lässt.“

Verschiedene implantierbare- durch den Patienten steuerbare - Teleskopnägel für die Beinverlängerung

APA/HERBERT PFARRHOFER

Verschiedene implantierbare- durch den Patienten steuerbare - „Teleskopnägel für die Beinverlängerung“

Implantation des Nagel dauert etwa anderthalb Stunden. Bei der Operation werden zunächst die Knochen durchtrennt, dann wird der Nagel eingesetzt und schließlich fixiert. Nach einer Woche Ruhephase – in der sich neuer Knochen bildet - beginnt die Dehnungsphase. Die Patienten und Patientinnen bekommen in dieser Phase ein Magnetsteuerungssystem mit nach Hause. Dreimal täglich hält der oder die Betroffene nun das Steuerungssystem für wenige Sekunden über das Bein. Jedes Mal wird dabei das Implantat um 0,33 Millimeter verlängert – in Summe einen Millimeter pro Tag.

Zwei bis drei Monate bis zur Vollbelastung

Bis zu fünf Zentimeter Beinlängenunterschied kann man ohne große Probleme ausgleichen, mehr eher nicht, sagt Christof Radler, Leiter des Speisinger Spezialteams „Allgemeine Kinderorthopädie“. Die Knochenbildung sei das biologisch Leichteste an diesem Beinverlängerungsverfahren; die Verlängerung könne allerdings – sofern nicht dosiert und mit Maß durchgeführt – zu Problemen bei Gelenken und Muskeln führen.

Teleskopnagel im Knochen

APA/HERBERT PFARRHOFER

Insgesamt dauere die Therapie etwa zwei bis drei Monate bis wieder eine Vollbelastung möglich ist. Gleichzeitig sollten die Patienten eine Physiotherapie absolvieren, um die Anpassung der Muskulatur zu fördern. Im Orthopädischen Krankenhaus in Speising habe man den neuen Magnet-Nagel bis jetzt 80 Mal eingebaut. Nach gelungener Beinverlängerung wird der 13.000 Euro teure Nagel übrigens wieder entfernt; Die Kosten für die Behandlung werden von der Krankenkassa übernommen.

In Speising wird die Beinverlängerung nur in medizinisch begründeten Fällen eingesetzt, kosmetische Behandlungen gibt es nicht.

Gudrun Stindl, Ö1 Wissenschaft

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