Wiener trotzt Super-Pokercomputer

Erstmals hat vor Kurzem ein Computer Menschen in einer besonders anspruchsvollen Pokervariante besiegt. Zehn Topspieler verloren, nur einer nicht: der Wiener Martin Sturc. Gelungen ist ihm dies, weil er sich in den Computer „hineingefühlt“ hat.

science.ORF.at hat von der Premiere berichtet: Erstmals gelang es einem System Künstlicher Intelligenz (KI), Menschen im Pokerspiel „heads -up no-limit Texas hold’em“ zu schlagen.

Dabei spielen zwei Spieler gegeneinander, die je zwei persönliche Karten bekommen. Schrittweise werden weitere, für beide sichtbare Karten aufgedeckt, und es gibt kein Limit beim Setzen. Aufgrund der zahlreichen Spielstrategien gilt die Pokervariante als besonders komplex und anspruchsvoll – und auch als riskant, weil sowohl hohe Gewinne als auch hohe Verluste möglich sind.

Mit einem Vorurteil gegen „DeepStack“

Die erfolgreiche Software heißt „DeepStack“ und ist von kanadischen und tschechischen Forschern an der Universität Alberta entwickelt worden. Im vergangenen Dezember hat sie zehn Top-Pokerspieler online besiegt. Der einzige, der ein Unentschieden herausholen konnte, ist der Wiener Martin Sturc, Präsident des Österreichischen Pokerverbands.

Oberfläche des Spielprogramms von "DeepStack"

University of Alberta

Oberfläche des Spielprogramms von „DeepStack“

Ö1 Sendungshinweis

Über das Thema berichtet auch Digital.Leben, 22.3., 16:55 Uhr.

Sturc arbeitet aktuell als Lehrer am Bundesoberstufen-Realgymnasium Deutsch-Wagram – überraschenderweise nicht in Mathematik, sondern in Sport sowie Kommunikation und Präsentation. In seiner Magisterarbeit an der Uni Wien hat sich der Sportwissenschaftler vor drei Jahren intensiv mit der optimalen Spielstrategie von Poker-Computern auseinandergesetzt. Ins Kräftemessen mit „DeepStack“ ist Sturc deshalb „mit einem gewissen Vorurteil“ gegangen, wie er gegenüber science.ORF.at erzählt.

„Man kann das mit einem realen Szenario vergleichen: Wenn ich an einen Pokertisch komme, an dem eine ältere Dame sitzt, gehe ich davon aus, dass sie eher gediegen und risikoscheu spielt. Das ist ein Vorurteil. Ich passe meine Strategie daran an und ziele auf die Schwächen.“

Schwäche bei hohen Setzbeträgen

Da es in der gespielten Pokervariante kein Setz-Limit gibt, hat Sturc Schwächen von „DeepStack“ bei hohen Setzbeträgen vermutet. „Ich habe versucht, mit guten Blättern möglichst groß zu setzen, wenn ich dachte, dass der Computer ein hinreichend starkes Blatt hat, um einen Einsatz mitzugehen“, erklärt der Pokerspieler. „Man könnte das mit der Preispolitik von Apple vergleichen, das für das iPhone jenen Betrag verlangt, den die Kunden gerade noch bereit sind zu zahlen - in etwa so habe ich auch Geschäfte mit ‚DeepStack‘ abgewickelt.“

Sturc hat versucht, sich in den Computer hineinzudenken – eine Strategie, die auch „DeepStack“ mit seinen Mitteln verfolgt. Das System kombiniert zwei bekannte Methoden der Künstlichen Intelligenz: einen bestimmten Algorithmus und künstliche neuronale Netze. Bahnbrechend ist bei „DeepStack“, dass es so etwas wie Intuition entwickelt hat. Es kann bluffen wie ein Profi-Pokerspieler und ist in seiner Spielweise kaum von Menschen zu unterscheiden. Nach Anfangserfolgen musste Sturc daher seine Strategie ändern – denn der Computer hat beim Spielen schnell gelernt.

Immer einen Schritt voraus sein

„Er ist aggressiver geworden, hat häufiger erhöht. Es haben sich daraus richtige Battles entwickelt“, erzählt der Pokerspieler. „Als ich gemerkt habe, dass er seine Strategie anpasst, habe ich sofort meine Spielweise geändert. Ich habe versucht, immer einen Schritt voraus zu sein.“

Martin Sturc spielt an einem Tisch Poker

Concord Card Casino / fabfotos

Martin Sturc bei einem Pokerturnier

Der Erfolg gibt Sturc Recht. Nach 3.000 Spielen online und zig vor dem Monitor verbrachten Stunden war er laut einer im Fachjournal „Science“ erschienenen Studie der Einzige, gegen den „DeepStack“ nicht gewonnen hat. Als bester „menschlicher“ Teilnehmer des Wettbewerbs erhielt Sturc 5.000 kanadische Dollar, rund 3.500 Euro. Bei einem echten Poker-Turnier hätte er mit dem gleichen Erfolg 150.000 US-Dollar gewonnen, sagt Sturc.

Um Geld alleine gehe es ihm aber nicht, betont der Pokerspieler. Mit seiner Gegenwart als Lehrer ist er zufrieden. Online-Turniere, bei denen es viel Geld zu gewinnen gibt, seien nicht unbedingt sozial verträglich, da sie meistens in der Nacht stattfinden.

Zehn Gegner noch zu viele für KI

Steckenpferd von Sturc ist der Kampf um den Nachweis, dass es sich bei Poker um kein Glücksspiel handelt. „Jedes Spiel, bei dem man geschickter sein kann als der Gegner, ist ein Geschicklichkeitsspiel. Ich kann nicht geschickter Lotto spielen als Sie, pokern aber schon. Und auch wenn es Kartenglück gibt: Wenn zwei Spieler oft gegeneinander spielen, gewinnt immer der geschicktere.“

Das Unentschieden gegen „DeepStack“ ist für Martin Sturc ein schöner Erfolg. Der Gesamtsieg des KI-Systems über die Menschen ist aber ein Meilenstein für die Forschung. Der nächste Schritt ist noch viel schwieriger: ein System, das Poker wie im echten Leben nicht „einer gegen einen“ spielt, sondern an einem vollen Tisch. Ein Computer, der erfolgreich gegen neun oder zehn Gegner pokert, ist noch fern. Die „natürliche Intelligenz“ dominiert damit zumindest in dieser Hinsicht - bis auf Weiteres.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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