Geschäfte unter Kriegsfeinden

Ein bemerkenswerter Fund eines deutschen Historikers macht deutlich: Associated Press (AP), die weltweit größte Nachrichtenagentur, hat länger mit dem NS-Regime kooperiert als bisher gedacht - und damit die Propagandaarbeit der Nazis erleichtert.

Hinter dem Kürzel AP verbirgt sich die größte Nachrichtenagentur der Welt, gegründet 1848 in New York. Im Zweiten Weltkrieg war die Associated Press die einzige ausländische Agentur, die – bis zum Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 – aus Nazi-Deutschland berichten durfte. Seit Kurzem steht jedoch fest: Auch danach haben die AP und das Nazi-Regime kooperiert.

Ö1 Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1 Journale, 24.3., 12:00 Uhr.

Höchst ungewöhnlich, denn bisher ging die Forschung davon aus, dass die materiellen und ideellen Verbindungen zwischen den USA und Nazi-Deutschland zwischen 1942 und 1945 gekappt waren, bzw. sich Kontakte auf das Notwendigste, etwa den Austausch von Kriegsgefangenen beschränkten. Doch vor wenigen Wochen hat der deutsche Historiker Norman Domeier in einem Nachlass Unterlagen gefunden, die detailliert über die Kooperation von NS-Deutschland und AP Auskunft geben. Domeier ist derzeit FWF-Stipendiat am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien.

Kriegsfeinde und Geschäftspartner

Rückblick: 1946 erreicht ein Schreiben aus Deutschland die USA. Der Adressat ist Louis Paul Lochner, der ehemalige Leiter des Berliner Büros der weltbekannten Nachrichtenagentur Associated Press, kurz AP. Der Absender: Willy Erwin Brandt, sein ehemaliger Mitarbeiter (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Bundeskanzler Deutschlands).

Dessen Schreiben ist Geständnis und Rechtfertigung zugleich. Denn während sein ehemaliger Chef Nazi-Deutschland hatte verlassen müssen, wurde Brandt nach dem Kriegseintritt der USA Ende 1941 für den täglichen Austausch von Bildmaterial zwischen dem NS-Regime und der Nachrichtenagentur AP zuständig. Der Austausch lief großteils über Mittelsmänner in den neutralen Ländern Portugal und Schweden.

US-Journalisten am 2. Juni 1942 in Bad Nauheim, kurz bevor sie Deutschland verlassen mussten. Stehend ganz rechts: Louis Paul Lochner

AP Photo/Lochner

US-Journalisten am 2. Juni 1942 in Bad Nauheim, kurz bevor sie Deutschland verlassen mussten. Stehend ganz rechts: Louis Paul Lochner

Das 40-seitige Schreiben, in dem darüber berichtet wird, hat Norman Domeier in dem Nachlass von Lochner entdeckt: „Auf diesen 40 Seiten wird im Detail berichtet, wie ein eigenes Büro eingerichtet wurde – das Büro Laux in Berlin –, das für die SS und das Auswärtige Amt den Fotoaustausch von deutscher Seite aus organisiert hat.“

Unter anderem heißt es darin, dass alle ehemaligen deutschen AP-Mitarbeiter in das Büro Laux gegangen und der Waffen-SS beigetreten sind. Und: „ Es ist erwähnt, wie viele Fotosets man am Tag ausgetauscht hat. Rechnet man diese Zahlen hoch, kommt man ungefähr auf die Zahl von 35.000 bis 40.000 ausgetauschter Fotos“, so Domeier.

Deutsche Soldaten in einem Dorf im Saarland im Jänner 1945, das Foto stammt vom Büro Laux

AP Photo/Buro Laux

Deutsche Soldaten in einem Dorf im Saarland im Jänner 1945, das Foto stammt vom Büro Laux

Propaganda für die Einen, Geschäft für die Anderen

Das Bildmaterial erfüllt für das Nazi-Regime zwei Zwecke: Erstens lassen es sich Adolf Hitler, Außenminister Ribbentrop, SS-Anführer Himmler, Oberbefehlshaber Göring um Propagandaminister Göbbels vorlegen, um über ihre politischen Nebenbuhler wie US-Präsident Roosevelt und den britischen Premier Churchill informiert zu sein – oder über den militärischen Fortschritt der Alliierten.

Zweitens nutzten die Nazis das Bildmaterial für Propaganda: „Entweder im Original oder auch retuschiert, also gefakt, wie es schon in den Quellen heißt“, so Domeier. Ergänzt wurde das Bildmaterial mit einschlägigen Bildunterschriften: „ Die meisten AP-Fotos, die ich bisher gesehen habe, die in der deutschen Presse veröffentlicht wurden, sind antiamerikanisch und antisemitisch genutzt worden. AP hat dazu beigetragen, den Deutschen mit diesem Fotomaterial Propagandastoff zu liefern.“

Audio: Norman Domeier über Fotos, die propagandistisch genutzt wurden

AP-Archiv für Forschung nicht zugänglich

Für AP war die Kooperation ein gutes Geschäft – es war die einzige Agentur, die über Fotomaterial aus Nazi-Deutschland verfügte. Bemerkenswert: Laut AP hatte die US-Regierung die Zusammenarbeit mit den Nazis genehmigt.

„Jetzt muss noch erforscht werden, wie die vielen Fotos, die SS-Fotografen und Wehrmachtsfotografen gemacht haben, und die eben in diesem täglichen Austausch an die AP geschickt wurden, genutzt worden sind und welche Zeitungen das veröffentlicht haben“, sagt Domeier. „Dazu wäre allerdings notwendig, dass AP ihr Archiv öffnet.“

AP hat bisher eher wortkarg auf die Forschungsergebnisse von Norman Domeier reagiert. Ob die Agentur künftig ihr Archiv für die Forschung öffnen wird, ist unklar. Aber, so die Sprecherin der Agentur, man plane in einigen Wochen die Ergebnisse eigener Recherchen zur Rolle von AP in der Nazi-Zeit zu veröffentlichen.

Tanja Malle, Ö1 Wissenschaft

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