Ein Spaßmacher macht Ernst

Die Debatte um Fake News hat auch Marc Abrahams erreicht. Der Erfinder der Ig-Nobelpreise hält „schräge Forschung“ für ein mögliches Gegenmittel – Wissenschaft sei mehr eine Frage der Neugier als „ultimativer Wahrheit“.

Seit fast 15 Jahren geht Marc Abrahams jedes Jahr auf Tournee. Nicht mit Tourbus und Backgroundchor, sondern mit jeder Menge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zur Unterstützung. Die Ig-Nobeltour trägt mit einer Art Wissenschaftskabarett das Mantra von Marc Abrahams in die Welt: „Things that first make you laugh, and then make you think.“ Der Humor nimmt der ernsten Wissenschaft den Pomp und trägt stattdessen ihre Neugier und ihren Forschergeist in die Welt.

Schräge Geschichten aus der Wissenschaft

Abrahams präsentiert in seiner Zeitschrift „Annals of Improbable Research“ und bei Ig-Nobelpreis-Verleihungen kuriose Forschung. Studien, die belegen, dass Hühner schöne Menschen lieber mögen, oder Hunde sich ausgerichtet an Magnetfeldlinien erleichtern, liefern Erkenntnisse – Fakten, die zuerst absurd erscheinen.

Ö1 Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 29.3., 13:55 Uhr.

Anfangs hatte Marc Abrahams das Problem, dass das Publikum dachte, er habe Studien wie diese aus humoristischen Gründen erfunden: „Ich habe bald bemerkt, dass sie dachten, ich erzähle ihnen Witze - nicht Fakten. Das hat sich schlagartig geändert, als ich angefangen habe Bilder und Grafiken zu verwenden. Jetzt halten die Leute diese Studien gleich für wahr.“

Nicht die wissenschaftlichen Fakten, sondern die Art, die Geschichte zu erzählen, haben sie glaubwürdig erscheinen lassen. Umgekehrt funktioniert das fast genauso – Abrahams präsentiert selbst Patenttexte so unterhaltsam, dass man kaum daran denkt, dass da ein ernsthaftes, trockenes Bürokratendokument vorgetragen wird.

Marc Abrahams bei der Verleihung der Ig-Nobelpreise 2016 an der Universität Harvard

Associated Press

Marc Abrahams bei der Verleihung der Ig-Nobelpreise 2016 an der Universität Harvard

Neugier und Liebe

Irgendwo hinter der Geschichte, nach der ersten Reaktion von Gelächter, fängt dann das Denken an – hofft wenigsten Marc Abrahams. Als er das erste Mal das Missverständnis aufgeklärt hatte, dass er erfundene Forschung präsentiere, konnte er an den Gesichtern der Leute sehen, dass sie erst verarbeiten musste, dass die Geschichten, die sie so begeistert hatten, Tatsachen lieferten.

Das Hinterfragen, das Nachdenken fängt dann an. Und das sei, was wir mit der Wissenschaft kommunizieren könnten – eine Art Geisteshaltung, die nicht Fakten sucht, sondern neugierig nach Erklärungen sucht: „Ich glaube viele Menschen halten Fakten für die ultimative Wahrheit. Aber in der Wissenschaft weiß man, dass mit jeder Antwort auf eine Frage, eine weitere Frage aufkommt.“

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sei klar, dass sie selbst ihr Spezialgebiet niemals bis ins letzte Detail erklären werden können, weder grundlegende Konzepte wie die Schwerkraft noch neue Felder wie die Quantenmechanik. Oder auch nur die einfache Frage, was Liebe ist, wie Abrahams sagt. Weder Physik noch Mathematik hielten so komplexe Fragen bereit wie das menschliche Verhalten, ist er überzeugt,

Wissenschaft mit Respekt begegnen

Fakten seien eine Sache – die Wahrheit eine andere. Forschungsergebnisse und Studien liefern uns zwar Fakten, aber niemals ein vollständiges Bild, erklärt Abrahams. Wenn wir zwei Jahrhunderte zurückblicken und uns die Geschichte der Medizin ansähen, dann könne man zwar sehen, wieviel die Wissenschaft leisten kann – aber die Menschen früher wollten der Weisheit der Wissenschaften genauso vertrauen, und wir wissen heute wie fehlerhaft oder unvollständig manche der Lehrmeinungen waren.

Statt also die Wissenschaft für unfehlbar oder allwissend zu halten, sollte man ihr einfach mit Respekt begegnen, sagt Marc Abrahams - wie jemandem, von dem man weiß, dass er oder sie versucht die beste Antwort zu finden.

Auch für Medien und ihr Publikum hat Abrahams wissenschaftlich inspirierten Rat: „Ich glaube es wäre nicht nur interessanter, sondern auch ehrlicher, wenn das, was man über Wissenschaft liest, und alles andere auch, einem nicht den Eindruck vermitteln würde, dass man jetzt alles weiß und die ganze Geschichte kennt.“ Denn wenn keine Frage offenbleibt, sollte man vielleicht misstrauisch werden.

Isabella Ferenci, Ö1 Wissenschaft

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