Warum man auf Rolltreppen lieber stehen sollte

Rechts stehen, links gehen: Das ist die Regel auf Rolltreppen. Eine Regel, die aber nicht die effizienteste ist, sagen Forscher. Wenn niemand geht und immer zwei auf einer Stufe stehen, sei dies insgesamt schneller und sicherer.

Von diesem besonderen Fall von Kontraintuition hat die „New York Times“ am Dienstag berichtet.

Die Wiener wussten es schon länger

„Stehen Sie rechts, halten Sie sich am Handlauf an und lassen Sie auf der linken Seite der Stufe ausreichend Platz, damit andere Fahrgäste vorbeigehen können.“ So steht es etwa in den Benimmregeln der Wiener Linien zum Verhalten auf Rolltreppen. Knapp 350 davon sind im U-Bahn-Netz der Bundeshauptstadt derzeit (mehr oder weniger) ständig in Betrieb, und eine deutliche Mehrheit ihrer Benutzer und Benutzerinnen hält sich an die Hausregel.

Ältere Semester werden sich erinnern, dass das nicht unbedingt immer so war. Bis sich die Wiener und Wienerinnen ans Rolltreppenfahren gewöhnt haben – die “Silberpfeile“ verkehren erst seit 1978 – hat es einige Zeit gedauert. Diese ältere Wiener Schule des „Irgendwo-und-Nebeneinander-Stehens auf der Rolltreppe“ ist laut neuen Forschungserkenntnissen vielleicht gar nicht so falsch gewesen.

Drei Rolltreppen in der U4-Station am Wiener Schottenring

APA - Herbert Pfarrfhofer

Rolltreppen in der U-Bahnstation „Schottenring“ in Wien

Effizienz von Rolltreppen untersucht

Bereits vor knapp einem Jahr hat die U-Bahn in London einen Versuch in einer ihrer am stärksten frequentierten Stationen gemacht. In der Holborn Station, die über 50 Millionen Passagiere pro Jahr hat, wurden die Menschen ein paar Tage lang aufgefordert, auf den Rolltreppen nicht mehr zu gehen, sondern ausschließlich zu stehen. Und zwar sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite.

Experten des Beratungsunternehmens Capgemini hatten für eine andere Londoner U-Bahn-Station errechnet, wie sich die Effizienz von Rolltreppen dadurch erhöht: Im „normalen System“ dauert das Links-Gehen 26 Sekunden, das Rechts-Stehen 40 Sekunden. Das betrifft aber nur die reine Zeit auf der Rolltreppe. Rechnet man die Zeit für das Anstellen und Aufteilen am Fuß der Rolltreppe hinzu, dann dauert es deutlich länger.

Es müssten sich alle dran halten

Die Experten gingen von früheren Annahmen aus, dass 60 Prozent lieber stehen und 40 Prozent gehen. Die Gesamtdauer inklusive Anstellen beträgt demzufolge für die Steher 138 Sekunden, für die Geher 46 Sekunden. Wenn aber alle nebeneinander auf der Treppe stehen, reduziert sich die Zeit für alle auf 59 Sekunden. Für die Geher dauert es also 13 Sekunden länger, für die anderen aber 39 Sekunden kürzer – insgesamt ist das ein deutlicher Effizienzgewinn.

Warum das so ist? Zum einen verringert sich die Länge der Schlangen vor Betreten der Rolltreppe – die Einteilung von „Schnellen“ und „Langsamen" fällt weg; zum anderen verbrauchen die Geher und Geherinnen mehr Platz. Im Schnitt stehen Menschen auf jeder zweiten Stufe, beim Gehen sind die Abstände größer.

Besser gar nicht gehen?

Ob die Verringerung der Gesamtzeit ein Argument für die Schnellgeher ist, auf ihren Vorteil zu verzichten? In unserer Individualgesellschaft ist das kaum zu erwarten. Vielleicht bekommen die Effizienzmaximierer aber ja Unterstützung von unerwarteter Stelle: nämlich von den Betreibern der Rolltreppen.

Der Manager der U-Bahnen von Washington hat vor Kurzem gemeint, dass eine ungleiche Gewichtsverteilung den Rolltreppen schaden würde. Dem hat der Rolltreppenhersteller Otis zwar widersprochen, aber auch er empfiehlt, auf den Treppen gar nicht zu gehen – aus Sicherheitsgründen, denn Stürze werden dadurch unwahrscheinlicher.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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