Rettung durch die „Blaulicht-Ameisen“

Wenn afrikanische Ameisen Termiten jagen, werden sie oft verletzt. Rufen sie danach um Hilfe, kommt ein Rettungsteam: Die „Blaulicht-Ameisen“ haben Forscher nun in einem spektakulären Video erstmals dokumentiert.

„Erstmals haben wir damit bei wirbellosen Tieren ein Helferverhalten gegenüber Verletzten beobachtet“, sagt der Tierökologe Erik Frank von der Universität Würzburg.

Gezielte Suche nach Verletzten

Die südlich der Sahara lebende afrikanische Matabele-Ameise (Megaponera analis) jagt Termiten stets als Gruppe. Der geschlossene Raubzug kann durchaus 200 bis 500 Ameisen stark sein. Etwa die Hälfte der Tiere läuft in die Tunnel ihrer Opfer und versucht, schnell viele Termiten zu töten.

Dabei werden den Forschern zufolge etwa ein bis zwei Prozent der Tiere von den durchaus wehrhaften Termiten verletzt. Die verbeißen sich meist in die Beine der Ameisen oder beißen diese ab. „Wenn sich der Staub des Kampfes gelegt hat, sammeln die Ameisen die toten Termiten ein und suchen nach Verletzten“, beschreibt Frank das beobachtete Verhalten.

Video einer Rettungsaktion

Dabei reagieren sie auf die Tiere, die über ihre Mandibeldrüse einen bestimmten chemischen Signalstoff absondern, schreiben Frank und seine Kollegen in einer soeben erschienenen Studie. Diesen Geruch nehmen die Tiere wahr.

„Sie untersuchen daraufhin die verletzte Ameise und packen sie mit dem Mund. Die zieht dann sogar ihre Füße ein, damit sie leichter getragen werden kann", erklärte Frank weiter. „Ein Drittel der Verletzten würde es ohne Hilfe nicht zurückschaffen“, ist sich der Biologe sicher.

Rettungssystem lohnt sich

Im Nest regenerieren sich die Tiere, lernen die Gangart mit fünf oder vier Beinen und ziehen schließlich wieder los. „38 der 40 im Kampf verletzten und von uns mit Farbe markierten Tiere haben wir wenig später bei einem Raubzug wieder gesehen.“

Eine Matabele-Ameisen-Kolonie besteht aus etwa 1.000 Tieren, die zwischen sechs Millimetern und zwei Zentimetern groß sind. Sie brechen zu etwa drei bis fünf Raubzügen pro Tag auf. Wenn die Tiere nicht von ihren „Blaulicht-Kollegen“ gerettet werden, würde ein Drittel von ihnen noch auf dem Weg in die Kolonie sterben. Durch die Rettungsaktionen beträgt die Überlebensrate aller im Kampf beteiligten Tiere fast 100 Prozent.

Das kommt nicht nur den einzelnen Ameisen zugute, sondern der gesamten Kolonie: Ohne „Sanitätseinsatz“ wäre die Kolonie einem Modell der Forscher zufolge um etwa 29 Prozent kleiner. Das Rettungssystem lohne sich demzufolge.

Eine Ameise trägt eine verletzte Artgenossin

Erik Frank

Eine Ameise trägt eine verletzte Artgenossin

“Außergewöhnliches Verhalten“

Es sei nicht zu erwarten gewesen, dass gerade bei sozialen Insekten, bei denen das einzelne Tier im Vergleich zur gesamten Kolonie wenig zählt, ein solches Helferverhalten entwickelt werden kann, sagte Frank weiter.

Zwar sei bei zwei anderen Ameisenarten ein Helferverhalten bereits bekannt. Das werde jedoch nur aktiviert, wenn sich die Tiere in akuter Lebensgefahr befinden - etwa bei einem eingestürzten Tunnel. „Unsere Ameisen aber sind nicht in direkter Lebensgefahr. Sie haben nur ein Bein verloren.“

Der Biologe Jürgen Heinze von der Universität Regensburg schätzt das beobachtete Verhalten als sehr interessant ein. „Dass sie besonders gepflegt werden und dann wieder an den Raubzügen teilnehmen, ist schon außergewöhnlich. Ich kenne nichts Vergleichbares“, sagte der Experte.

science.ORF.at/dpa

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