Nacktmull schafft 18 Minuten ohne Sauerstoff

Nicht hübsch, aber außergewöhnlich: Nacktmulle sind krebsresistent, langlebig und schmerzunempfindlich. Wie eine neue Studie zeigt, können sie außerdem bis zu 18 Minuten ganz ohne Sauerstoff überleben. Sie stellen einfach ihren Stoffwechsel um.

Der etwa 15 Zentimeter lange Nacktmulle ist fast blind, hat eine faltige, rosabraune Haut mit nur wenigen Haaren und keine Ohrmuscheln. Manche bezeichnen ihn gar als das hässlichste Tier der Welt. Dennoch ist er zu einem äußerst beliebten Forschungsobjekt geworden, dank seiner erstaunlichen körperlichen Eigenschaften. Er bekommt keinen Krebs, seine Zellen altern kaum und seine Lebenserwartung liegt bei etwa 30 Jahren - eine ähnlich große Maus hält nur ein bis zwei Jahre durch. Forscher werten das als Anpassung an sein Leben in unterirdischen Höhlen in der ostafrikanischen Wüste.

Nacktmulle im Labor

Thomas Park/UIC

Nacktmulle im Labor

Weil dort bis zu 280 von ihnen zusammenleben und sich die Tiere oft kilometerweit zu Wurzeln von Wüstenpflanzen graben, müssen sie extrem stickige Luft ertragen. Wie genau ihnen das gelingt, war Gegenstand der aktuellen Studie der Forscher Thomas Park von der University of Illinois in Chicago.

Hartnäckige Überlebenskünstler

Sie setzten die Tiere zunächst Luft mit einem sehr geringen Sauerstoffgehalt von nur fünf Prozent aus. Während Mäuse dabei in weniger als 15 Minuten starben, hielten es Nacktmulle fünf Stunden ohne ersichtliche Probleme aus, berichten die Forscher. Menschen brauchen mindestens zehn Prozent Sauerstoff in der Atemluft, um etwa Gehirnzellen mit Energie versorgen zu können. Der Sauerstoff dient dazu, Glukose aus der Nahrung zu verstoffwechseln und so Energie für die Organe des Körpers bereitzustellen.

Selbst wenn die Forscher den Nacktmullen den Sauerstoff ganz entzogen, erwiesen diese sich als hartnäckige Überlebenskünstler: Sie schafften es bis zu 18 Minuten, am Leben zu bleiben - während Mäuse nach rund 45 Sekunden starben. Die Nacktmulle verloren das Bewusstsein und ihr Puls verringerte sich stark von 200 auf 50 Herzschläge pro Minute, sie fielen in einen winterschlafähnlichen Zustand. Sobald wieder sauerstoffhaltige Luft an ihre Nasen gelangte, wachten sie wieder auf und gingen unbeschadet ihrer Wege, schreiben die Wissenschaftler.

Forschervideo zu Nacktmullen

Im Bau kommt es zu solchen Situationen zum Beispiel dann, wenn sich die Tiere zum Ruhen zu Dutzenden übereinander legen: Die zuunterst Liegenden bekommen dann in den ohnehin stickigen Kammern kaum mehr Sauerstoff ab. Löst sich der Schlummerhaufen später wieder auf, bleiben diese Artgenossen zunächst wie tot liegen - rappeln sich dann aber wieder auf, als wäre nichts gewesen.

Pflanzenähnlicher Stoffwechsel

Wie überstehen die fast blinden, faltigen Nager so lange Zeit ohne oder mit extrem wenig Sauerstoff? Wie die Forscher durch Blut- und Gewebeproben herausfanden, stellen sie ihren Stoffwechsel um.

Nacktmull auf Zuckerstücken

Jane Reznick/Gary Lewin, MDC

Nacktmull auf Zuckerstücken

Fehlt ihnen der Sauerstoff, um lebenswichtige Organe wie Herz und Gehirn mittels Glukose am Laufen zu halten, nutzen sie stattdessen Fruchtzucker. D.h., die Nacktmulle setzen in den Mangelphasen weiter Zucker in ihr Blut frei, aber eben Fruktose und Saccharose. Saccharose ist bisher nur aus Pflanzen bekannt. Spezielle Mechanismen erlauben es Nacktmullen demnach, diese als Energieersatz zu nutzen, folgern die Forscher. Woher der Ersatzzucker stammt, ist bisher noch unklar.

Diesen Überlebensmechanismus bei Sauerstoffmangel hoffen Forscher eines Tages gezielt beim Menschen auslösen zu können. „Wir würden Patienten gern vor den Folgen von Sauerstoffmangel bewahren, die Herzinfarkt oder Schlaganfall binnen Minuten anrichten“, so der Koautor Gary Lewin vom Berliner Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC).

science.ORF.at/APA/dpa

Mehr zum Thema