Auf der Suche nach „grünem“ Plastik

Von Bekleidung bis Elektronik: Plastik ist heute überall. Auch dort, wo es nicht hingehört, etwa im Meer. Seit knapp 100 Jahren werden Kunststoffe nach Gebrauch v.a. weggeworfen - nun wird aber zu neuen Materialien geforscht, die umweltfreundlicher sein sollen.

„Plastik“ hat seit dem zweiten Weltkrieg eine unglaubliche Erfolgsgeschichte zu verzeichnen. 1950 betrug die weltweite Jahresproduktion von Kunststoffen noch eine Million Tonnen. Heute, sieben Jahrzehnte später, liegt sie bei 300 Millionen Tonnen - Tendenz weiter steigend. Kuntststoffprodukte sind heute überall, vom Wegwerfplastiksackerl bis zu Halbleiterchip im Smartphone.

Undenkbar: Eine Welt ohne Plastik

Dass eine Welt ohne Plastik heute nicht mehr denkbar ist, habe einen einfachen Grund, sagt Reinhold Lang, Leiter des Institute of Polymeric Materials and Testing der Universität Linz. Das Leistungsniveau der modernen Kunststoffe sei mit anderen Werkstoffen nicht mehr zu überbieten. „Das heißt alle vorhandenen Technologien und Innovationen im Bereich des Bauwesens, der Logistik, des Verpackungswesens, bis zur Elektronik und Medizintechnik ist ohne die Werkstoffklasse nicht denkbar“, so Lang.

Ö1-Sendungshinweis

Radiokolleg über „Die Plastikgesellschaft. Segen und Fluch der Kunststoffrevolution ": 24. bis 27.4. 2017, 9.05 Uhr

Der Aufstieg der Polymermaterialien in der globalen Massenproduktion beginnt vor etwas mehr als 100 Jahren. Bakelit, Schellack, Zelluloid, Harnstoffharze und Galalith finden in vielen Geschäftsfeldern Verwendung, von der Radioverkleidung bis zum Modeschmuck. Diese frühen Kunststoffe prägen das Image des Materials bis heute: Sie werden vielfach dafür eingesetzt, Luxusartikel günstiger zu produzieren. Zelluloid wurde zum Beispiel dafür verwendet, Billardkugeln oder Klaviertasten aus Elfenbein nachhaltiger und günstiger zur produzieren.

Massenfertigung seit dem Zweiten Weltkrieg

Mit dem Zweiten Weltkrieg gehen die Kunststoffe dann in die Massenfertigung. Andere Ressourcen werden während des Krieges immer knapper, also werden synthetische, erdölbasierte Polymere schon vor 1945 zu begehrten Werkstoffen. Danach sollen die Fabriken am Laufen gehalten werden. Immer mehr Produkte aus Plastik kommen auf den Markt, auch Wegwerfprodukte.

Noch bis in die 1960er Jahre wird das „throw away living“ als idealer Lebensstil der Zukunft gepriesen. Die Nachfrage nach Kunststoffen und Plastikprodukten wächst. „Seither sind die Wachstumsraten in diesem Wirtschaftsbereich kontinuierlich hoch und sie liegen immer über den durchschnittlichen Wachstumsraten in anderen Bereichen“, sagt der Polymerforscher Reinhold Lang.

Zum Wegwerfen zu schade

Kunststoffe haben in fast allen Bereichen, in denen sie zum Einsatz kommen, nicht nur die besseren Materialeigenschaften, sie sind auch günstig zu produzieren. Viele Plastikprodukte sind so designt, dass sie nach kurzer Verwendung im Mistkübel landen. Das klassische Beispiel ist das Einwegplastiksackerl. Es ist im Schnitt 25 Minuten lang in Gebrauch, bevor es im Müll landen. Die Anzahl der pro Person und Jahr verwendeten Plastiksackerl lag 2011 in der Europäischen Union bei knapp 200.

„Bei vielen Anwendungen von Kunststoffen gilt, dass sie einen geringeren Energie- und Werkstoffbedarf haben als andere Materialien, was den Gesamtlebenszyklus betrifft“, so Reinhold Lang. Eine Aufforderung, Kunststoffe auch für Wegwerfprodukte zu verwenden, sei das jedoch nicht, betont der Polymerforscher. „Eine wachsende Weltbevölkerung wird mehr Polymerwerkstoffe brauchen, aber wir werden andere Herstellungsverfahren benötigen - und einen anderen Umgang mit Produkten aus Kunststoff, was ihre Langlebigkeit und Wiederverwendbarkeit betrifft“, so Lang.

Polymere für nachhaltige Energie

Ein vielversprechender Bereich der Polymerforschung ist aktuell jener der ereuerbaren Energien. Auch Reinhold Lang und seine Kollegen vom Institute of Polymeric Materials and Testing an der Universität Linz forschen für diesen Bereich, genauer für Solarthermie-Kollektoren. Gemeinsam mit Kooperationspartnern aus der Wirtschaft konnten die Wissenschaftler Polyethylen- und Polypropylenwerkstoffe entwickeln, die thermisch stärker belastbar sind als ältere Materialien.

„Früher konnten solche Solarthermie-Kollektoren nur Temperaturen bis 70 Grad Celsius verkraften. Unser Werkstoff hält bis 90 Grad Celsius und das mehr als 20 Jahre lang“, sagt Lang. Den Polymerforschern ist es mit ihrem innovativen Material gelungen, die Kosten für diese Technologie zu senken und ein belastbareres Produkt zu entwicklen. Diese neuen Lösungen seien außerdem nachhaltiger. „Die Lebenszyklusanalysen zeigen, dass der ökologische Fußabdruck dieser neuen Polymerwerkstoffe besser ist als früher“, so der Polymerforscher.

Recycling ist wichtiger Forschungsbereich

Die Polymerforschung konzentriert sich derzeit jedoch nicht nur auf haltbare und energieeffiziente Werkstoffe. Soll Kunststoff ein nachhaltigeres Material werden, müssen sich die Recyclingquoten verbessern. „Der industrielle Abfall kann schon relativ gut aufbereitet werden, weil er sortenrein anfällt“, erläutert Lang. Doch dort, wo Plastik gemischt oder verunreinigt weggeworfen wird, gibt es nach wie vor Schwierigkeiten bei der Wiederverwertung. Solche Produkte landen fast immer in der Müllverbrennung.

Ideal wäre es, das Prinzip des Kohlwasserstoffkreislaufs der Natur auch im Kunststoffrecycling anwenden zu können, meint Reinhold Lang. „CO2 wird über die Photosynthese in Pflanzen gebunden und über bakterielle Abbauprozesse wieder freigesetzt. Ähnliches wollen wir auch für Kunststoffe, die ebenfalls auf Kohlenwasserstoffen basieren, erreichen“, so der Polymerwissenschaftler.

Mikroorganismen, die Kunststoffe in ihre Bestandteile zerlegen können, werden bereits erforscht. Mit sogenannten Bio-Polymeren, also Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen, könnte so eine neue Kreislaufwirtschaft entstehen. Das würde den ökologischen Fußabdruck von Kunststoffprodukten schrumpfen lassen - zumindest wenn sie „richtig“ weggeworfen werden.

Marlene Nowotny, Ö1-Wissenschaft

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