Gen für traumatische Erinnerungen entdeckt

Schweizer Forscher haben ein Gen entdeckt, das mit negativen und traumatischen Erinnerungen zusammenhängt. Da es auch wichtig für das Immunsystem ist, schließen sie: Gehirn und Immunsystem sind stärker verbunden als bisher angenommen.

Denn die beiden sind eigentlich durch die Blut-Hirn-Schranke getrennt. Die Schranke schützt das Gehirn vor Krankheitserregern und Giftstoffen im Blut. Gleichzeitig trennt sie die Immunzellen des menschlichen Körpers in solche, die ihre Funktion im Blut erfüllen und in solche, die im Gehirn eingreifen.

Lange ging man davon aus, dass das Gehirn größtenteils unbeeinflusst vom Immunsystem funktioniert. In den letzten Jahren haben sich aber die Hinweise vermehrt, dass der Zusammenhang doch größer ist – in diese Richtung weisen nun auch zwei neue Studien.

Anhand von Bildern überprüft

Schon vor einem Monat berichteten Forscher um Andreas Papassotiropoulos und Dominique de Quervain von der Universität Basel von einem Gen, das häufiger bei Personen vorkommt, die sich besonders gut an negative Bilder erinnern können. Die gleiche Genvariante wird aktuell auch im Zusammenhang mit immunologischen Erkrankungen erforscht.

Auf das Gen („TROVE2“) stießen die Forscher durch einen Vergleich des Erbguts von 88 gesunden Personen: Diese konnten sich entweder besonders gut oder besonders schlecht an Negatives erinnern. Überprüft haben die Forscher den Zusammenhang zwischen der Genvariante und dem Erinnerungsvermögen bei über tausend weiteren Studienteilnehmern.

Diese bekamen zunächst rund 70 Bilder zu sehen und mussten sie als positiv, negativ oder neutral bewerten. Nach einiger Zeit sollten die Studienteilnehmer aufschreiben, an welche Bilder sie sich erinnerten. Resultat: Die Träger der TROVE2-Genvariante konnten sich deutlich besser an die negativen Bilder erinnern als die anderen Studienteilnehmer. Bei den positiven Bildern gab es hingegen keine signifikanten Unterschiede.

Risikofaktor für posttraumatische Belastungsstörung?

Anders sah das jedoch bei der Hirnaktivität aus: Während die Probanden die Bilder betrachteten, überprüften Kernspintomografen die Vorgänge in ihrem Gehirn. Resultat: Sowohl bei positiven als auch bei negativen Bildern war bei den TROVE2-Trägern ein Hirnareal deutlich aktiver, das für das emotionale Gedächtnis wichtig ist. Bei negativen Bildern war der Unterschied zu den anderen Studienteilnehmern jedoch deutlich größer als bei den positiven.

In einem weiteren Schritt stellten die Forscher auch fest, dass sich Personen mit traumatischen Erinnerungen stärker an die belastenden Erlebnisse erinnerten, wenn sie die entsprechende Genvariante trugen. „Bei dem Gen könnte es sich also um einen Risikofaktor für posttraumatische Belastungsstörungen handeln“, sagte Papassotiropoulos.

Epigenetisches Muster verrät Dicke der Hirnrinde

In einer zweiten, am Mittwoch erschienenen Studie berichten der Forscher und sein Team, dass wichtige Gene des Immunsystems mit der Struktur des Gehirns zusammenhängen. Sie untersuchten die Epigenetik von 533 Personen: also die chemischen Faktoren, die Gene einschalten oder stilllegen. Dabei stießen die Forscher auf ein Muster, das mit der Dicke der Hirnrinde zusammenhängt - und zwar insbesondere in einem Teil, das für das Gedächtnis eine Rolle spielt.

Beide Studien zeigen, dass Hirnstruktur und Gedächtnis von der Aktivität von Genen beeinflusst werden, die auch wichtige Funktionen für das Immunsystem im Blut erfüllen. Noch ist der Mechanismus laut Papassotiropoulos nicht klar. „Aber wir hoffen, dass sich hier neue therapeutische Möglichkeiten ergeben.“ Denn das Immunsystem lässt sich durch bestimmte Medikamente präzise beeinflussen, was sich auch günstig auf gestörte Hirnfunktionen auswirken könnte.

science.ORF.at/sda

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