Mäuseversuch: Cannabis gegen Demenz?

Cannabis kann nicht nur betäuben und rauschhaft wirken, sondern auch die Gedächtnisleistung verbessern: Das gilt laut einer neuen Studie zumindest bei älteren Mäusen - und möglicherweise auch bei Menschen.

Ein Team um den Neurowissenschaftler Andreas Zimmer von der Universität Bonn untersucht seit rund 15 Jahren an Mäusen das System jener Stellen im Gehirn, auf die Cannabis wirkt. Alle Ergebnisse zeigten, dass das sogenannte Endocannabinoid-System als Teil des Nervensystems alle Alterungsprozesse beeinflusst.

„Die Aktivität des Systems nimmt bei alternden Tieren ab und geht einher mit typischen Alterungssymptomen wie Osteoporose, runzeliger Haut und abnehmender Kognitionsleistung“, sagt Zimmer. Abnehmende Aktivität des Systems und Alterserscheinungen gehen demnach Hand in Hand.

Aus alter Maus wird junge Maus

Die Wissenschaftler fragten sich, ob sich die nachlassende Aktivität des Systems im Alter durch die Stimulation mit dem Cannabis-Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) umkehren lässt. Sie verabreichten deshalb zwei, zwölf und 18 Monate alten Mäusen THC.

Ergebnis: Während die „bekifften“ Jungmäuse bei Tests zu Lern- und Gedächtnisleistung schlechter abschnitten als Vergleichstiere ohne THC, war es bei den reifen und älteren Mäusen genau umgekehrt. „Auf einmal verhielten sich die alten Tiere wie die jungen. Wir können ein Tier, das eineinhalb Jahre alt ist, nicht mehr unterscheiden von einer jungen Maus“, sagt Zimmer.

Dass die Ergebnisse vielleicht auch auf den Menschen übertragbar seien, dazu gebe es Hinweise aus Israel: Bewohner eines Altersheims, die unter Appetitlosigkeit und Schlafstörungen litten, hatten Cannabis bekommen.

„Viele darunter waren daraufhin auch geistig wesentlich reger“, so Zimmer. Die Ergebnisse und Erfahrungen daraus hätten dazu geführt, dass in Israel Cannabis für geriatrische Patienten unter klinisch kontrollierten Bedingungen untersucht werde.

Studie mit Menschen soll noch heuer starten

In Bonn wollen die Wissenschaftler die Wirkung nun genauer untersuchen. In einer klinischen Studie wollen sie herausfinden, ob THC auch die Gehirnfunktion von älteren Menschen mit einer beginnenden Alzheimer-Demenz oder einer milden Altersdemenz normalisieren kann.

Die Studie soll nach Möglichkeit noch in diesem Jahr beginnen, sagt Zimmer. Es gehe nicht darum, Hanf anzubauen, um es alten Menschen zu verkaufen, sondern um die Entwicklung eines Medikamentes und die kontrollierte Einnahme.

Medizinisches Marihuana sei schon lange untersucht: „In diesem Zusammenhang wissen wir, dass praktisch alles, was in der Maus funktioniert, auch im Menschen funktioniert. Von daher bin ich vorsichtig optimistisch, dass die Ergebnisse vielleicht übertragbar sind“, sagt Zimmer.

Österreich: Expertengremium und Chefarzt

Für schwer kranke Menschen, etwa Patienten mit der Darmerkrankung Morbus Crohn, ist Cannabis (Blüten und Extrakte) seit einiger Zeit in Deutschland unter bestimmten Bedingungen auf Rezept erhältlich. Es ist als illegale Droge jedoch zugleich häufig Anlass für eine suchtmedizinische Behandlung, und der Eigenanbau ist verboten.

Das österreichische Gesundheitsministerium setzt auf ein Expertengremium, um Situation und Entwicklung auf diesem Gebiet erst einmal zu diskutieren. Bisher gibt es hierzulande ausschließlich Produkte aus pharmazeutischer Herstellung. Die allfällige Übernahme der Kosten dieser Arzneimittel erfolgt via chefärztliche Bewilligung.

In dem Gremium erörtert werden sollen auch zukünftige Erfahrungen in Deutschland, wo mit Inkrafttreten der neuen Regelung eine wissenschaftliche Begleitstudie zur Cannabis-Verwendung initiiert wurde.

science.ORF.at/APA/dpa

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