Reiche leben 20 Jahre länger

Die Lebenserwartung ist in den USA eine Frage der Herkunft: Menschen im reicheren Colorado werden heute mehr als 86 Jahre alt, in ärmeren Teilen Dakotas nur knapp 67.

Letztere werden somit früher sterben als ihre Eltern, obwohl die Lebenserwartung insgesamt gestiegen ist.

Ein 1980 geborener US-Amerikaner hat eine durchschnittliche Lebenserwartung von 73,8 Jahren, für einen heute Dreijährigen sind es bereits 79,1 Jahre - ein Plus von über fünf Jahren. Besonders die Männer scheinen von der zunehmenden Lebenszeit zu profitieren, bei ihnen sind es fast sieben Jahre mehr, bei Frauen im Schnitt vier.

Die Studie

„Inequalities in life expectancy among US counties, 1980 to 2014“, JAMA Internal Medicine, 8. Mai 2017

Bei genauerem Hinsehen ist die Bilanz jedoch nicht ganz so positiv. Denn nicht jeder kommt in den Genuss zusätzlicher Lebensjahre - entscheidend ist die Region, aus der man kommt, wie die aktuelle Studie der Forscher um Christopher J.L. Murray von der University of Washington in Seattle zeigt. Sie haben die Lebenserwartung auf Bezirksebene berechnet. Dabei kamen drastische Unterschiede ans Licht.

Wie im Irak

In 13 Countys werden Babys, die heute zur Welt kommen, statistisch nicht so alt werden wie ihre vor 30 Jahren geborenen Eltern. Die erwartbare Lebensspanne für einen 1980 in Owsley County, ein Bezirk in Kentucky, Geborenen beträgt 72,4 Jahre, für seine vor drei Jahren geborenen Nachkommen nur mehr 70,2 Jahre.

Die niedrigste Lebenserwartung unter den US-Bürgern haben heute die Einwohner von Oglala Lakota County in Dakota, sie liegt bei 66,8 Jahren. Dort leben noch viele Nachfahren der indigenen Bevölkerung. Zum Vergleich: Im Sudan erreichen die Bewohner im Schnitt ein Alter von 67,2 Jahren, im Irak 67,7.

Animierte Grafik zur Entwicklung der Lebenserwartung:

In anderen Regionen hingegen ist die Lebenserwartung überdurchschnittlich gestiegen, z.B. in einigen Countys im Bundesstaat Colorado. Spitzenreiter ist Summit County. Dort können die heute geborenen Einwohner mit 86,8 Lebensjahren rechnen. Das liegt sogar über der Lebenserwartung in Andorra, die mit 84,8 Jahren auf Länderebene weltweit die höchste ist.

Ursachen der Ungleichheit

Zwischen der höchsten und der niedrigsten Lebenserwartung liegen laut der Auswertung also ganze 20 Lebensjahre. Was führt zu solchen extremen Unterschieden? Zu einem großen Teil (drei Viertel) basieren sie auf gesundheitlichen Faktoren, wie die Forscher in der Studie schreiben. Dazu zählen Übergewicht, Rauchen, Bewegungsmangel und die daraus resultierenden Folgeerkrankungen.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 9.5., 13:55 Uhr.

Einen kaum geringeren Einfluss haben allerdings sozioökonomische Umstände: Armut, Arbeitslosigkeit, geringe Bildung und ethnische Zugehörigkeit. Zwei Drittel der Unterschiede stehen auch damit in Zusammenhang. Eine dritte wesentliche Rolle spielt die Qualität der Gesundheitsversorgung. Wobei die unterschiedlichen Faktoren natürlich zusammenhängen und einander beeinflussen.

„Die gesundheitlichen Unterschiede in den USA sind inakzeptabel, das Land gibt für Gesundheit mehr aus als jedes andere“, so Murray in einer Aussendung. Das Ausmaß der Ungleichheit erfordere dringend politische Maßnahmen. „Jeder Amerikaner verdient eine langes Leben - egal, wo er herkommt und wer er ist.“ Wenn man nicht rasch eingreift, werde sich der messbare Trend jedoch weiter fortsetzen.

Eva Obermüller, science.ORF.at

Mehr zum Thema