Handys als Keimschleudern im Krankenhaus

Auf Handys befinden sich bis zu 80-mal so viele Keime wie auf einem durchschnittlichen Toilettensitz. Bewusst ist das nicht vielen Menschen, auch nicht im Krankenhaus, warnte vor Kurzem die Krankenkasse der Techniker in Bayern.

Während ein Pfleger einen Patienten betreut, läutet das Handy mit einer Nachfrage zu einem anderen Fall, oder eine Ärztin schaut schnell auf ihre Handyuhr - so ein kurzer, fast unbewusster Griff zum Mobiltelefon ist allerdings wie ein Griff in eine Tasche voller Krankheitserreger. Zahlreiche Studien zeigen das.

Keime überall

Eine erhöhte Keimbelastung betrifft jedes Mobiltelefon, nicht nur die in Krankenhäusern: Beim Telefonieren spuckt man auf sein Handy, man wischt mit oft nicht ganz sauberen Händen darauf herum, und kaum jemand desinfiziert sein Mobiltelefon regelmäßig. Auch die Handys von Besucherinnen und Patienten im Krankenhaus sind also voller Bakterien. Viele davon sind auch multiresistente Keime, wie die Studien zeigen. Sie sind mit üblichen Antibiotika oft nicht mehr behandelbar, stellen also ein besonders hohes Risiko im Falle einer Erkrankung dar.

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Handys seien aber in dieser Hinsicht nicht mehr belastet als unsere restliche Umwelt: Multiresistente Keime kommen überall vor, erklärt Elisabeth Presterl von der Universitätsklinik für Krankenhaushygiene und Infektionskontrolle in Wien. Nur im Umfeld von Menschen mit Wunden oder einem geschwächten Immunsystem wie im Krankenhaus und in Pflegeheimen stellen sie ein größeres Risiko dar. In Österreich sind die häufigsten Krankenhausinfektionen, die sich Patienten zusätzlich zu ihren eigentlichen Erkrankungen zuziehen, Harnwegsinfekte und Atemwegsinfekte - zum Beispiel Lungenentzündungen.

Menschlicher Fehler

Deswegen müsse man aber nicht die Handynutzung gesondert einschränken, sagt Presterl. Verbot gibt es derzeit keines. Die Hygienerichtlinien würden laufend an den neuesten Kenntnisstand angepasst. Handys seien keine größere Gefahr als Toiletten und Tastaturen, wenn sich das Gesundheitspersonal an die Richtlinien hält.

Dazu gehört das Desinfizieren der Hände vor und nach jedem Patientenkontakt, genauso wie vor Eingriffen, bei denen ein Infektionsrisiko besteht, zum Beispiel, wenn eine Infusion gelegt wird – das sei Routine. Und es wäre genauso klar, dass man nicht während der Arbeit am Patienten das Handy aus der Tasche holt.

Aber natürlich ist der Faktor Mensch nicht ganz so zuverlässig wie eine Richtlinie, räumt auch Presterl ein, die ihren Kolleginnen und Kollegen beruflich auf die Finger schaut. Sie überwacht auch die Krankenhaushygiene im AKH Wien.

Guter Standard bei Hygiene

Das Bewusstsein sei bei allen Kollegen da, erzählt sie, aber im Alltag könne man etwas vergessen, auch würden manche Abläufe falsch eingelernt. Darum müsse man die Belegschaft immer wieder motivieren und trainieren. Aber im Großen und Ganzen seien Krankenhausinfektionen seit Langem auf einem gleichbleibenden Niveau, daran hätte auch der Vormarsch der Handys nichts geändert. Österreich steht mit einer Prävalenzrate von etwa 5,3 Prozent oder 760 Krankenhausinfektion im Jahr 2015 im internationalen Vergleich ganz gut da, etwas besser als der europäische Schnitt.

In der Hygiene versuche man schnell auf neue Erkenntnisse zu reagieren, betont Presterl. Trotzdem könne man nicht alle Infektionen verhindern. Im Moment arbeiten Presterl und ihre Kollegen unter anderem an neuen Screening-Richtlinien, die helfen sollen Patienten, die multiresistente oder besonders gefährliche Keime in sich tragen, schneller zu finden. Auslands- oder Krankenhausaufenthalte können dabei Hinweise geben. Gute Hygienearbeit, sagt Presterl, fängt beim Aufnahmegespräch an.

Isabella Ferenci, Ö1 Wissenschaft

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