Eine gültige Stimme für niemanden

Keine Partei, aber trotzdem gültig zu wählen - diese Möglichkeit hat sich wohl schon so mancher gewünscht. Ob und wie sich so eine Option auf Wahlergebnisse auswirken würde, untersuchen derzeit Forscher der Wirtschaftsuniversität Wien.

Das Verhalten von Protestwählerinnen und -wählern beschäftigt die Verhaltensökonomen Ben Greiner und Anita Zednik am Institute for Markets and Strategy der Wirtschaftsuniversität Wien.

Die These: Menschen, die eine Person oder Partei nur wählen, um ihre Unzufriedenheit mit der herrschenden Politik auszudrücken, würden das möglicherweise nicht tun, wenn es auf dem Stimmzettel eine zusätzliche Wahlmöglichkeit gäbe: eine, die alle Kandidatinnen und Kandidaten ausschließt.

Einkommensverteilung im Labor

Mit Labortests will man diese These, sie ist Teil eines Forschungsprojektes zum Design von Wahlzetteln, nun überprüfen. Durchgeführt wird die Studie im Juni mit vier- bis fünfhundert Testpersonen. Dabei werden Gruppen von bis zu 32 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in zwei Parteien und Nicht-Parteimitglieder eingeteilt.

Verhaltensökonomen Ben Greiner und Anita Zednik im Labor

Katharina Gruber/ORF

Ben Greiner und Anita Zednik in ihrem Labor.

Innerhalb der Gruppe soll über die „Einkommensverteilung“ abgestimmt werden. Im ersten Schritt können sich die beiden Parteien nämlich entscheiden, ob ihr Wahlvorschlag darin besteht, dass jeder Teilnehmende fünf Euro bekommt oder nur die eigenen Parteimitglieder je 20 Euro. Danach wird gewählt. Das Ergebnis ist für die Testpersonen relevant, denn das Geld wird nach dem Versuch wirklich ausgezahlt.

Stimme gegen Korruption

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 27.6., 13:55 Uhr.

Auf dem Wahlzettel stehen nun die Vorschläge der beiden Parteien und ein dritter Verteilungsvorschlag bei dem alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Euro verlieren. Greiner dazu: „Wir wollen eine Situation im Labor erzeugen, wo Parteien unfaire Vorschläge machen und andere Wähler darauf reagieren, indem sie für eine Option stimmen, die schlecht für alle ist.“ Die Erwartung von Greiner und Zednik ist, dass es Personen gibt, die den dritten Verteilungsvorschlag wählen, auch wenn dieser nicht in ihrem Sinne ist, um das korrupte Verhalten der beiden Parteien zu sanktionieren.

Diesen Protestwählerinnen und -wählern will man im nächsten Durchgang die zusätzliche Wahlmöglichkeit bieten, für keine der drei Politiken zu stimmen. Ob und wie oft sie genützt wird und ob sie das Wahlergebnis beeinflusst, wird man sehen.

Stärkung des Protests?

Eine vorangegangene Studie hat ergeben, dass Menschen nicht gerne ungültig wählen. Durch die zusätzliche Option könnten sie eine gültige Stimme abgeben - für keine der vorgeschlagenen Politiken. Das könne auch die Wahlbeteiligung erhöhen, da sie frustrierten Wählerinnen und Wählern eine aktive und gültige Stimmabgabe ermöglicht.

Zednik erklärt das Ziel des Forschungsprojektes, das noch weitere Experimente umfasst: „Die Frage ist, wie man Wahlzettel so gestaltet, dass der Wählerwille optimal im Wahlergebnis abgebildet werden kann. Wenn Menschen aus Protest einen Kandidaten wählen, dem sie eigentlich nicht zustimmen, dann könnte die Option, keinen dieser Kandidaten zu wählen, eine Alternative sein. Sie könnte diesen Protest einfangen und kanalisieren.“

In der Praxis könnte das dazu führen, dass der Protest sichtbar wird und die Politik darauf reagiert - wenn sie denn reagiert.

Katharina Gruber, Ö1-Wissenschaft

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