Bahnbrechende Klimastudie feiert 50er

Ohne Klimamodelle keine Abschätzung des künftigen Klimawandels: Was heute selbstverständlich ist, geht auf eine Studie zurück, die vor genau 50 Jahren erschienen ist. Sie hat erstmals wichtige Klimaeinflüsse wie Atmosphäre und Ozeane miteinander verbunden.

„Die Studie ist bis heute eine zentrale Grundlage der Klimamodelle, die den Berichten des Weltklimarats IPCC zugrunde liegen“, sagt Christoph Matulla von der Zentralanstalt für Meteorologie (ZAMG) in Wien.

Kombination von Klimafaktoren

Die Arbeit stammt von den beiden Klimaforschern Syukuro Manabe und Richard Wetherald und wurde im Mai 1967 veröffentlicht. Vor zwei Jahren haben sie Kollegen zur einflussreichsten Studie zum Klimawandel gewählt. Ein Urteil, dem sich Christoph Matulla anschließt.

Originalstudie

“Thermal Equilibrium of the Atmosphere with a Given Distribution of Relative Humidity“, Journal of the Atmospheric Sciences, Mai 1967

Klimamodellierungen habe es zwar schon vor 130 Jahren gegeben, diese hätten aber nur relativ statische Energiebilanzen aufgewiesen. „Manabes Studie hat das erweitert, die Entwicklung des Klimas dynamisch dargestellt und die Wechselwirkungen zwischen Klimasphären - der Atmosphäre und den Ozeanen - berücksichtigt“, erklärt Matulla gegenüber science.ORF.at. „D. h. sie hat räumlich differenziert die Feuchtigkeit der Atmosphäre mit der Sonneneinstrahlung und der infraroten Ausstrahlung der Erdoberfläche kombiniert.“ Damit war es möglich, Klimaveränderungen nicht nur global darzustellen, sondern auch regional und kontinental.

Blick zurück und nach vorne

Klimamodelle sind das wichtigste Hilfsmittel, um Aussagen über vergangene und zukünftige Entwicklungen des Klimas zu gewinnen. Was die Vergangenheit betrifft, kann man mit sogenannten Proxydaten – z.B. Baumringmessungen oder Eisbohrkernen überprüfen, ob ein Klimamodell ein vergangenes Klimas richtig reproduzieren kann. Ist das der Fall, besteht berechtigtes Vertrauen, dass es das auch unter veränderten Bedingungen für die Zukunft tun kann.

ORF-Schwerpunkt: Mutter Erde

„2 Grad sind mehr, als du denkst“ - unter diesem Motto steht der Mutter-Erde-Schwerpunkt des ORF von 26. Mai bis 2. Juni.

„2001 konnte man mit Hilfe von Klimamodellen zum ersten Mal wissenschaftlich nachweisen, dass die Menschheit das Klima tatsächlich beeinflusst. Der Anstieg der weltweiten Temperaturen seit etwa 150 Jahren kann ohne die von der Menschheit verursachten Treibhausgase in der Atmosphäre nicht erklärt werden“ sagt Matulla. Dabei ist der im europäischen Alpenraum beobachtete Temperaturanstieg von rund zwei Grad Celsius etwa doppelt so groß wie der über den Globus gemittelte. Etwa zwei Drittel des seit der industriellen Revolution beobachteten Temperaturanstiegs seien auf menschlichen Einfluss rückführbar.

Mit den aktuellen Projektionen skizziert der IPCC verschiedene Szenarien: Sie reichen von einem – gerade noch vertretbaren und im Klimaabkommen von Paris angestrebten – Plus von „nur“ 1,5 Grad Celsius bis über sechs Grad plus für die globale Mitteltemperatur. „Mit Hilfe dieser Aussichten kann die Menschheit nun wählen: einen ökologisch orientierten Weg, der negative Auswirkungen im Rahmen hält, oder einen ökonomisch orientierten, der zu dramatischen Veränderungen führen wird“, sagt Matulla.

Modelle werden immer besser

Grundlage für diese Modelle waren Arbeiten wie die von Manabe. Seit damals werden die Modelle ständig verfeinert und zunehmend alle Klimasphären (Erdmantel, Atmosphäre, Ozeane, Eismassen und Lebewesen), die Wechselwirkungen in und zwischen ihnen sowie andere Faktoren wie Sonnenaktivität und Treibhausgehalt in der Atmosphäre berücksichtigt.

Baujahr ’67 – Zeitreisen mit Ö1

Was hat 1967, das Gründungsjahr von Ö1 bewegt? Und was davon ist heute noch in Betrieb? In einem Jubiläumsschwerpunkt zum „50er“ begeben sich zahlreiche Sendungen auf Zeitreisen in Vergangenheit und Zukunft. Details zu den Beiträgen finden Sie auf Baujahr ’67 - 50 Jahre Ö1.

„Das ist natürlich eine hochkomplexe Aufgabe und bedarf enormer Computerkapazitäten“, sagt Matulla. „Nur etwa zehn Klimarechenzentren rund um den Globus sind derzeit imstande, derartig komplexe Klimamodelle zu betreiben.“ Ihre Verbesserung sei für die Klimaforschung ebenso wichtig wie die Lösung grundlegender Fragen. „Wir müssen ehrlich sein und sagen, dass wir noch nicht alle Klimaprozesse verstehen. Etwa wie sich Wolken bilden oder wie sich höher- oder tiefer gelegene Wolken bzw. der auftauende Permafrostboden auf die Klimaentwicklung auswirken“, so Matulla.

Als Vertreter der ZAMG liegt ihm die Erforschung der regionalen Klimaerwärmung am Herzen. „Was etwa bedeutet sie für die österreichische Obst- und Weinernte, für die Gesundheit der Menschen, die europäische Wirtschaft und Logistik? Oder welche neuen Schädlinge sind zu erwarten?“ Fragen wie diese versucht die ZAMG mit statistischen Methoden zu beantworten, die globale Klimamodelle auf kleinere Maßstäbe „herunterbrechen“. Die Grundlage dafür sind Arbeiten wie die von Manabe aus dem Jahr 1967 – sie gilt bis heute als Meilenstein der Zunft.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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