CRISPR-Debatte reißt nicht ab

Wie sicher ist CRISPR/Cas? Versuche mit Mäusen wecken Zweifel an der Verlässlichkeit des gepriesenen Gentech-Werkzeugs. Das sorgt mittlerweile auch auf dem Aktienmarkt für Turbulenzen. Nun mehrt sich allerdings Kritik an der Maus-Studie.

Revolutionär, so einfach und präzise wie nie zuvor: Das sind die Attribute, mit denen die neue Gen-Editierungsmethode CRISPR/Cas in den letzten Jahren bedacht wurde. Der Manipulation des Erbguts von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen schienen keine Grenzen gesetzt. So dachte man.

Tausende unerwünschte Mutationen

Doch eine Studie, erschienen vor zwei Wochen im Fachblatt „Nature Methods“, verlieh der allgemeinen Aufbruchsstimmung einen Dämpfer. Forscher um Stephen Tsang von der Columbia University hatten Mäuse mit angeborener Blindheit mittels Crispr-Cas9 genetisch behandelt und ihnen so wieder zum Sehen verholfen. Allerdings hatte dieser Eingriff, wie die Mediziner schreiben, unerwünschte Nebenwirkungen: Im Erbgut der Mäuse waren mehr als tausend unerwartete Punktmutationen aufgetaucht sowie hundert größere Veränderungen der DNA-Sequenz.

Tsang und seine Kollegen glauben, dass die Gen-Schere die Schuld trägt, mithin keineswegs so sicher und präzise ist, wie bisher angenommen. Das Medienecho war groß - und sorgte auch in der Biotech-Branche für Unruhe. Die Aktienkurse von Unternehmen, die mit der Methode dereinst viel Geld verdienen könnten, gaben deutlich nach.

Allen voran die Firma Editas Medicine, an der prominente Forscher wie Feng Zhang und George Church beteiligt sind: Ihr Aktienwert verlor innerhalb eines Tages um 15,7 Prozent. Die direkten Konkurrenten CRISPR Therapeutics und Intellia Therapeutics - hier sind die CRISPR/Cas9-Entdeckerinnen Emanuelle Charpentier und Jennifer Doudna an Bord - verloren ebenfalls.

Kritik an Studie

Nun kommen allerdings Zweifel an der Stichhaltigkeit der Maus-Experimente auf. Krzyzstof Chylinski vom Vienna Biocenter, ein ehemaliger Mitarbeiter von Emanuelle Charpentier, kritisiert, dass es keine Kontrollmäuse gegeben habe. Die Ursachen für die unerwünschten Mutationen seien mit gegenwärtigem Stand völlig unklar.

Die Interpretation widerspreche allem, was man bisher über die Wirkungen der Gen-Schere wisse. „Wenn Sie zum ersten Mal einen Heidelbeerkuchen backen, und er misslingt - können Sie dann sofort die Heidelbeeren verantwortlich machen? Nein, Sie müssen alles überprüfen. Das haben die Forscher nicht gemacht“, sagt Chylinski im Ö1-Interview. Ähnlich sieht das der Genetiker Gaetan Burgio von der Australian National University. Er glaubt, dass die Mäuse die meisten Mutationen bereits vor dem Versuch im Erbgut trugen.

Klinische Versuche laufen bereits

Dass bereits klinische Versuche mit CRISPR/Cas9 im Gange bzw. Planung sind, scheint angesichts solcher Unwägbarkeiten etwas vorschnell. An der Universität Peking will man damit etwa Blasen- und Prostatakrebs behandeln, auch bei der Bekämpfung von HI-Viren erhofft man sich weitere Fortschritte. Bei diesen Versuchen werden Zellen außerhalb des Körpers der Patienten verändert und erst dann re-implantiert.

Chylinski glaubt nach wie vor, dass die Methode für Therapien geeignet ist. Hundertprozentige Sicherheit werde es aber auch hier nicht geben: „Jedes Medikament hat Nebenwirkungen. Ist zum Beispiel Chemotherapie hundertprozentig sicher? Sie ist hoch mutagen, sie verursacht eine Reihe von Nebenwirkungen.“

Ganz überraschend kommt die Debatte über mögliche Nebenwirkungen von CRISPR/Cas9 indes nicht. In Berichten der US National Academies sowie des UK Nuffield Council on Bioethics etwa wurde diese Möglichkeit längst diskutiert. In einschlägigen Blogs urteilen Fachleute über Tsangs Maus-Studie relativ gelassen. Stephen Floor von der University of California in San Francisco rät das Naheliegende: eine Wiederholung der Versuche - inklusive Kontrollgruppe und Prüfung aller Reagenzien.

Robert Czepel, Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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