Helfen Misteln gegen Krebs?

Zwei Drittel der Krebspatienten in Österreich versuchen ihre Krankheit auch durch alternativen Therapien zu bekämpfen, etwa mit Hilfe von Mistelpräparaten: Deren Wirksamkeit ist umstritten - einige Krankenkassen zahlen dennoch dafür.

In Österreich gibt es neun verschiedene Gebietskrankenkassen und die haben jeweils einen eigenen Leistungskatalog. Einigkeit herrscht im Normalfall zumindest darüber, ob die angebotenen Therapien wirksam bzw. ungefährlich sind. Bei der Misteltherapie ist das nicht Fall.

Einige Gebietskrankenkassen zahlen, andere lehnen das ab - mit Verweis auf die schlechte Studienlage. Die Kärntner Gebietskrankenkasse etwa übernimmt seit 1. März nicht mehr die Kosten für diese komplementärmedizinische Krebsbehandlung.

Sendungshinweis

Über das Thema berichten auch die Ö1-Journale: 14.6.2017, 12.00 Uhr.

Idee ist 100 Jahre alt

Krebs mit einem Extrakt aus Misteln zu bekämpfen war eine Idee des Anthroposophie-Begründers Rudolf Steiner, und zwar um das Jahr 1920. Eine wissenschaftliche Grundlage hatte diese Annahme nicht, sie spiegelte lediglich Steiners Naturanschauung wider. Heute, fast 100 Jahre später, fehlen noch immer eindeutige Studienergebnisse zur Wirksamkeit von Mistel-Präparaten, sagt Gerald Gartlehner, Leiter des Departments für Evidenzbasierte Medizin der Donau-Universität Krems.

Ein Problem bei diesen Studien sei, dass sehr viele sehr schlecht gemacht seien und schwere methodische Mängel hätten. „Und wenn man sich nur die guten Studien ansieht, die verlässlichen, dann zeigen die eigentlich alle, dass Misteltherapie nicht wirklich wirkt“, so Gartlehner. „Medizin Transparent“, ein Projekt von Cochrane Österreich an der Donau-Universität Krems, hat die Studienlage zur Misteltherapie genau analysiert. Neben den mangelhaften Studiendesigns wird etwa kritisiert, dass es in der Misteltherapie keine einheitlichen Standards gebe, „weder in der Zusammensetzung der Präparate noch in der Dosierung“.

Politische oder medizinische Frage?

An diesen Erkenntnissen hat sich auch die Kärntner Gebietskrankenkasse orientiert, als sie beschloss, die Kosten für Misteltherapie ab März 2017 nicht mehr zu übernehmen. Ein wissenschaftlicher Wirkungsnachweis für die Mistelpräparate fehle. Darüber hinaus werde in einigen internationalen Leitlinien vom Einsatz der Misteltherapie bei Krebs abgeraten, heißt es dazu von der KGKK. In den USA sind die Präparate überhaupt verboten.

Das möchte der Kärntner Landtag nicht hinnehmen. Dort setzt man sich parteienübergreifend dafür ein, dass die Krankenkasse die Kosten für die Misteltherapie zukünftig wieder übernimmt.

Mistelzweige mit weißen Früchten

REUTERS/Phil Noble

Misteln sind als Symbole volkstümlicher Bräuche beliebt - in der Medizin jedoch umstritten.

Als einen Grund dafür geben SPÖ, ÖVP und Grüne unter anderen die Aussagen des Kärntner Arztes Mario Mayrhoffer an, der als Experte im Landtag geladen war und in einer anthroposophisch orientierten Praxis in Klagenfurt arbeitet. Der sieht die Wirkung der Misteltherapie in der Onkologie als wissenschaftlich ausreichend belegt.

Hinzu komme seine jahrelange medizinische Erfahrung, wie er in einer Stellungnahme schreibt: „Am Beginn der Therapie sieht man relativ rasch eine allgemeine Verbesserung der Vitalität, der Durchwärmung, eine Verbesserung der körperlichen und kognitiven Leistungsfähigkeit und insbesondere der Befindlichkeit der Patienten. Zudem ist die Mistel stimmungsaufhellend und etwas entängstigend.“

Große Unterscheide bei Kosten

In der Steiermark und in Wien bewilligen die Gebietskrankenkassen eine Misteltherapie nur, wenn die Patienten bereits „austherapiert“ sind. Das heißt, dass keine weitere schulmedizinische Behandlung mehr durchgeführt wird. Die Wiener und Oberösterreichische Gebietskrankenkasse können keine Angaben zu den Kosten machen. In der Steiermark wurden rund 20.000 Euro für Mistelpräparate übernommen.

Auch aus Niederösterreich gibt es Zahlen: „Die NÖGKK übernimmt die Kosten für Misteltherapie für Krebspatienten bereits seit vielen Jahren. Im Vorjahr haben wir für Mistelpräparate 323.559,05 € ausgegeben.“ Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger gibt zwar an, dass eigentlich nur Arzneimittel mit ausreichend nachgewiesener therapeutischer Wirkung finanziert werden sollten und dass diese Belege bei der Misteltherapie eigentlich nicht vorliegen. Dennoch gebe es anhaltende Diskussionen zum Thema Misteltherapie in der Onkologie.

„Beispiel sollte nicht Schule machen“

Eben das findet Gerald Gartlehner in Zeiten knapper Gesundheitsbudgets problematisch: „Wenn die Gebietskrankenkasse sich davon beeindrucken lässt, dann öffnet das natürlich Tür und Tor für alle möglichen anderen pseudowissenschaftlichen Behandlungen.“ Dieses Beispiel sollte nicht Schule machen, betont der Experte. In einem Solidarsystem sollten sich die Gebietskrankenkassen bei der Finanzierung auf Therapien konzentrieren, bei denen der Nutzen wissenschaftlich erwiesen ist.

Die Kärntner Gebietskrankenkasse will das Gespräch mit der Landesregierung suchen. Welche Therapien übernommen werden und welche nicht, sollte eine medizinische Entscheidung sein und keine politische, heißt es dazu von der KGKK.

Marlene Nowotny, Ö1-Wissenschaft

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