Maschinen: „Chaos“ erwünscht
Chaotisch und unberechenbar - zwei Attribute, mit denen man das Laptop-Betriebssystem, den Thermostat in der Wohnung oder den Onlinekalender am Handy eher nicht beschreiben will. Anders Laura Devendorf, Ingenieurin und Künstlerin an der Universität Colorado.
University of Colorado
Zur Person
Laura Devendorf unterrichtet an der Universität Colorado und studierte Kunst, Ingenieurs- und Computerwissenschaften in den USA. Dort wird sie das Unstable Design Lab leiten. Im August wird sie an den Technologiegesprächen in Alpbach teilnehmen.
Natürlich schätzt und nutzt auch sie funktionierende Technologie im Alltag. Beruflich kreiert die Ingenieurin aber ausschließlich „unstabile Technologie“, wie sie es nennt. „Wenn eine Technologie nicht reibungslos funktioniert, also ‚unstabil‘ ist, kann sie nicht alles wie gewohnt für dich tun. Man muss also selbst tätig werden, anstatt nur einen Knopf zu betätigen“, erklärt Devendorf ihr Konzept vom „Maschinenchaos“, das auch als Einladung verstanden werden kann, Technologie radikal zweckzuentfremden.
Vom „Nichtfunktionieren“ der Maschinen
Ihr letztes Werk und zugleich Forschungsgegenstand ist ein 3-D-Drucker, der halb Mensch und halb Maschine ist. Anstatt der maschinellen Druckerpatrone folgt man per Hand einem programmierten, zickzacklaufenden Laserpointer und trägt flüssiges Material - klassischerweise wäre das Kunststoff - auf die angeleuchtete Arbeitsfläche auf. Am Ende werden die dünnen Plastikschichten übereinander gelegt, bis die gewünschte dreidimensionale Figur entsteht.
Schöne, klar definierte Kanten und Rundungen besitzt die Skulptur dann freilich nicht. „Es geht einfach darum, dass man versteht, wie die Anleitung eines 3-D-Druckers funktioniert und wie sie das Gerät umsetzt: etwa, dass die flüssigen Schichten Plastik nur linear aufgetragen werden und Kurven letztlich nur viele kleine Linien sind“, erläutert die Ingenieurin und Künstlerin.
Laura Devendorf
Als Material ist grundsätzlich alles erlaubt - Sprühkäse aus der Dose, Holzspäne, Schokolade, kleine Stifte, die übereinandergelegt werden, oder Palatschinkenteig, der auf eine heiße Platte aufgetragen wird. Die Erkenntnis, dass sich nicht alles gleich gut für das Bauen einer 3-D-Skulptur eignet, gehört für Devendorf zum kreativen Lernprozess. „Man bekommt ein besseres Gefühl für Materialien und dafür, wie sie sich verhalten. Diese Erfahrung hat man weniger, wenn man einfach nur ‚Start‘ drückt und die Maschine alles erledigt“, sagt die US-Amerikanerin.
Ö1-Sendungshinweis
Diesem Thema widmete sich auch ein Beitrag in der Sendung „Wissen aktuell“ am 19.6. um 13.55 Uhr.
Darüber hinaus bezweckt sie damit, dass Menschen ein alternatives Verständnis für Technologie im Allgemeinen und für „gut funktionierende Technik“ im Speziellen bekommen. Denn auch wenn etwas im herkömmlichen Sinn nicht perfekt funktioniert, kann es einen anderen Nutzen haben, ist die Forscherin überzeugt. So baute sie beispielsweise eine nicht perfekte Pancake-Eule gemeinsam mit ihren Töchtern. „Es wurde zu einer Art Familienevent.“
Video: Entstehung der Pancake-Eule
Frustrierend bis inspirierend
Wie andere Menschen mit so einer alternativen Technologie wie Devendorfs 3-D-Drucker umgehen und welchen Nutzen sie daraus ziehen, hat die Forscherin im Rahmen einer kleinen Studie untersucht.
Links
Technologiegespräche Alpbach
Von 24. bis 26. August finden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion. Das Thema heuer lautet „Konflikt & Kooperation“. Davor erscheinen in science.ORF.at Interviews mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die bei den Technologiegesprächen vortragen oder moderieren.
Probiert haben den 3-D-Drucker vor allem Künstler, berichtet Devendorf. Sie haben insbesondere die Freiheit genossen, dass man allenfalls auch von der Vorgabe des Lasers abweichen kann. „Sie sahen die Maschine als einen Zuarbeiter, der bestimmte Dinge konnte, die sie nicht konnten und umgekehrt.“
Nicht alle aber waren so glücklich mit der Maschine. Vor allem jene, die erwarteten, dass der „Drucker“ genau das tat, was sie wollten und ihnen half, ihre Vorstellungen eins zueins zu verwirklichen, sagte Devendorf. „Diese Leute waren sehr frustriert, weil das System die Wünsche einfach nicht erfüllte.“
Eine andere Probandin wiederum, die einen Hang zum Perfektionismus hatte, konnte durch die imperfekte Maschine ihr eigenes Verhalten reflektieren, berichtet die Ingenieurin. Zudem ließen sich auch Ingenieurskollegen von der „unstabilen“ Technologie inspirieren und entwickelten ihre klassische Ingenieursarbeit weiter.
„Meine Arbeit ist dann erfolgreich, wenn sich das Verständnis von Maschinen erweitert und sie künftig nicht mehr nur dafür gebaut werden, unseren Alltag zu erleichtern und effizienter zu machen.“ Eine Sichtweise, die die Ingenieurin auch ihren Studenten an der Universität Colorado lehrt. „Zudem möchte ich, dass sie sich mehr überlegen, was ihre Erfindung in der Welt macht und auf welche möglichen Weisen ihre Algorithmen und Maschinen genutzt werden können.“
Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft
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