Von Pichler zu Stronach

Weiz war eine der ersten Gemeinden Österreichs mit elektrischem Licht. Dass sie vor 125 Jahren elektrifiziert wurde, liegt an Franz Pichler. Der Erfinder hat die steirische Region geprägt. Ohne ihn wäre ein weiterer Weizer - Frank Stronach - wohl kaum so prominent geworden.

Eine Petroleumlampe fiel um und setzte die Mühle der Eltern in Brand. „Da dachte sich der Maschinenbaustudent Franz Pichler, es müsste doch eine Möglichkeit geben, den Familienbetrieb zu modernisieren“, erzählt die Stadthistorikerin Susanne Kropac gegenüber science.ORFat.

Also nutzte Pichler die Energie eines nahegelegenen Hammerwerkes um Strom zu erzeugen, den er dann mit einem Drahtseilantrieb in die Mühle leitete.

Drahtseilantrieb: Drähte übertragen den von einem Wasserrad produzierten Strom über eine Masten-Rad-Konstruktion bis zu Pichlers Mühle

Stadtarchiv Weiz

Drahtseilantrieb: Drähte übertragen den von einem Wasserrad produzierten Strom über eine Masten-Rad-Konstruktion bis zu Pichlers Mühle

Die Elektrifizierung der Steiermark

Fünf Jahre später besuchte er die Weltausstellung in Frankfurt am Main und war fasziniert davon, dass das gesamte Ausstellungsgelände elektrisch beleuchtet war. Da ließ ihn die Idee nicht mehr los, die Straßen seiner Heimatstadt mit elektrischem Licht auszustatten. Mit einem Drahtseilantrieb war das nicht möglich. Zurück in Weiz baute er 1892 einen Generator, der Wechselstrom erzeugte. So erleuchtete vor 125 Jahren künstliches Licht die Straßen der oststeirischen Kleinstadt zum ersten Mal. Zu dieser Zeit hatten viele Bezirke Wiens noch kein elektrisches Licht.

Pichler gründete die Weizer Elektrizitätswerke, stellte elektrische Maschinen her und begann, in der gesamten Steiermark kleine Kraftwerke zur Stromerzeugung zu errichten. Pichler bekam viele Aufträge, übernahm sich allerdings finanziell mit dem Ausbau des Betriebs, musste Partner mit ins Boot holen und an die Börse gehen, erzählt Kropac, die eine aktuelle Ausstellung über die elektronische Industrie in Weiz kuratiert hat. 1908 ging die ELIN Aktiengesellschaft für elektrische Industrie aus den sogenannten Pichlerwerken hervor.

Elektroautos, Generatoren und Waffen

Pichler experimentierte auch mit Elektroautos, die über Oberleitungen mit Strom versorgt wurden. Die Gemeinde zweifelte daran, ob das sicher war.

Franz Pichler in jungen Jahren

Museumsverein Weiz

Franz Pichler in jungen Jahren

Aber letztendlich gab sie Pichler die Genehmigung und ließ einzelne Straßen für seine Experimente sperren. Der Ingenieur saß selbst im Gemeinderat bis er eines Tages im Zorn ging und sein Mandat zurücklegte. Der Grund war ein Streit über eines seiner Finanzierungsansuchen.

Pichlers Generatoren- und Transformatorenbau prägt die Stadt bis heute. „Es gäbe in der Oststeiermark keine Industrie in diesem Ausmaß, hätte Franz Pichler nicht den Grundstock gelegt“, erklärt Kropac. Auch die Infrastruktur profitierte von den Pichlerwerken, denn die Verkehrswege mussten für Pichlers Produkte ausgebaut werden. Kropac dazu: „Es entstand ein Energiehype, der bis heute omnipräsent ist in der Region.“

Während des Ersten Weltkrieges stellte Pichler sein Werk in den Dienst der k. u. k.-Kriegsindustrie und produzierte neben Waffen auch die elektronische Einrichtung für U-Boote. 1919 starb der Ingenieur an einem Herzinfarkt. Den Betrieb leitete dann Emanuel Rosenberg, auf den der „Rosenberg-Dynamo“ für elektrische Zugbeleuchtung zurückgeht. Als Jude musste er nach dem Anschluss 1938 fliehen, die Nazis „arisierten“ die ELIN und nutzten sie wieder für die Rüstungsindustrie. 1946 wurde der Betrieb verstaatlicht.

Unter der Fabriksleitung von Rosenberg wurde eine Schweißerschule gegründet. Sie lehrte die damals neue Lichtbogen-Schweißtechnik. Die Kurse zogen auch Interessierte aus dem Ausland an.

Museumsverein Weiz

Unter der Fabriksleitung von Rosenberg wurde eine Schweißerschule gegründet. Sie lehrte die damals neue Lichtbogen-Schweißtechnik, die große Materialersparnisse brachte. Die Kurse zogen auch Interessierte aus dem Ausland an.

Atomkraft, ja bitte!

Ende der 40er-Jahre lernte der wohl berühmteste Lehrling der ELIN hier das Handwerk des Werkzeugschlossers: Frank Stronach. Er verließ Weiz allerdings kurz darauf und kam erst Ende der 80er-Jahre mit Magna zurück.

Ab den 50er-Jahren gelang es dem neuen Werksdirektor Karl Widdmann den Betrieb am Weltmarkt zu etablieren. Die Proteste gegen Atom- und Wasserkraftwerke ab den 70ern stießen in Weiz auf wenig Zustimmung, da die Wirtschaft in der Stadt stark von der Zulieferung für Kraftwerkbauten abhing. So stimmten etwa 1978 bei der Volksabstimmung über das Atomkraftwerk Zwentendorf 69% der Weizer für das Kraftwerk, während österreichweit nur 49,5% dafür waren. „Die ELIN hatte bereits Transformatoren für Zwentendorf ausgeliefert. Das Nein zum Atomkraftwerk war für Weiz ein Fiasko“, erklärt die Historikerin.

Der reife Franz Pichler

Stadtarchiv Weiz

Der reife Franz Pichler

Ausstellung

Eine aktuelle Ausstellung im Stadtmuseum Weiz erzählt die Geschichte der elektronischen Industrie in Weiz ab den 1950er-Jahren.

Situation heute

Während die ELIN schon lange in europäische Staaten, die USA und nach Australien lieferte, exportierte sie ihre Produkte ab den 80er-Jahren auch nach Asien. Vor allem in China gab es großes Interesse an Großgeneratoren und –transformatoren für Wasserkraftwerke. Ab den 90ern wurde die ELIN umstrukturiert und in mehrere VA TECH-Gesellschaften aufgeteilt.

Als 2004 die Privatisierung beschlossen wurde, war die Sorge in der Stadt groß, dass die Betriebe abwandern könnten. 2006 verkaufte Siemens Österreich, inzwischen Inhaber der VA TECH, die VA TECH Hydro an die Andritz AG. Damit sind heute vier Firmen, deren Niederlassungen auf Franz Pichler zurückgehen, in der Stadt ansässig: Die Pichlerwerke sind auf Gebäudeanlagenbau spezialisiert, Siemens auf Transformatoren, die ELIN auf Motoren und Andritz Hydro auf Generatoren und Turbinen. „Mit dieser Konstruktion war der Standort Weiz dann gesichert“, erinnert sich Kropac.

Katharina Gruber, Ö1-Wissenschaft

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