Wie Sportlerinnen von Testosteron profitieren

Zwei Sekunden schneller auf 800 Metern: Das ist einer der Vorteile von Sportlerinnen, die auf natürliche Weise mehr Testosteron produzieren. Wie die erste umfassende Studie zu dem Thema zeigt, ist das Sexualhormon in einigen Disziplinen wettbewerbsentscheidend.

Testosteron und seine chemischen Verwandten (Androgene) werden schon seit den 1950er Jahren von Athleten und Athletinnen als Dopingmittel eingesetzt.

Eine erhöhte Testosteronkonzentration ist jedoch nicht immer auf eine künstliche Zufuhr zurückzuführen. Viele Frauen produzieren von Natur aus eine überdurchschnittlich große Menge männlicher Hormone - ein Zustand, der als „Hyperandrogenismus“ bezeichnet wird.

Beispiel Caster Semenya

Dass hyperandrogene Sportlerinnen gegenüber ihrer Konkurrenz im Vorteil sein können, hat in der Vergangenheit für Diskussionen über ihre Teilnahmeberechtigung gesorgt. Einen Anstoß dazu lieferte die Südafrikanerin Caster Semenya. Sie gewann bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009 mit 1:55,45 Sekunden die Goldmedaille im 800-m-Lauf und ließ ihre Konkurrentinnen mit über zwei Sekunden Vorsprung zurück.

Caster Semenya bei einem 800m-Lauf in Oslo

Vidar RUUD / NTB Scanpix / AFP

Caster Semenya im Juni 2017

2011 wurde vom Weltleichtathletikverband (IAAF) eine spezielle Regelung für hyperandrogene Frauen eingeführt: Bevor sie an Wettkämpfen teilnehmen dürfen, müssen sie demnach Hormonbehandlungen durchführen, die ihre Testosteronwerte senken. Nach einer Klage am Internationalen Sportgerichtshof (CAS) wurde diese Regelung mangels wissenschaftlicher Belege 2015 wieder aufgehoben.

Deutliche Leistungsverbesserungen

In der nun veröffentlichten Studie liefern Stephane Bermon und Pierre-Yves Garnier diese Belege nun nach. Sie haben über 2.000 Leistungen von männlichen und weiblichen Spitzensportlern im Zuge der Leichtathletikweltmeisterschaften 2011 und 2013 analysiert.

Die Forscher stellten fest, dass Frauen mit höheren Testosteronwerten deutlich bessere Ergebnisse erzielten: Im 400-m-Lauf sind sie im Schnitt um über 1,1 Sekunden schneller, sie werfen den Hammer beim Hammerwurf um über zwei Meter weiter und springen im Stabhochsprung im Schnitt um 14 Zentimeter höher. Im 800-m-Lauf sind sie um 1,78 Prozent besser. Übersetzt auf den Lauf von Caster Semenya sind das rund zwei Sekunden.

Mehr Sauerstoff, Aggression und Koordination

Die leistungssteigernde Wirkung von Androgenen ist bereits bekannt. Durch sie werden mehr rote Blutkörperchen produziert, wodurch Sauerstoff schneller vom Körper aufgenommen werden kann. Die Sexualhormone wirken sich aber auch psychisch aus, so steigern sie das aggressive Verhalten, was im Spitzensport kein Nachteil ist.

„Die Ergebnisse in den Bereichen Stabhochsprung und Hammerwurf deuten darauf hin, dass Frauen mit erhöhten Testosteronlevels auch durch die Verbesserung ihrer koordinativen Fähigkeiten einen Wettbewerbsvorteil haben“, schreiben die Studienautoren weiters.

Sie sprechen sich dafür aus, höhere Testosteronwerte und damit verbundene, verbesserte athletische Leistungen bei der Bewertung zukünftiger Wettbewerbsleistungen zu berücksichtigen. Eine formale Schlussfolgerung über konkrete Ursachen und Auswirkungen könne durch diese Beobachtungstudie jedoch noch nicht getroffen werden.

Noch keine Konsequenzen

Die Studie ist ein Teil von Beweisen, die die IAAF dem CAS für eine endgültige Entscheidung über die Teilnahmeregeln von hyperandrogenen Sportlerinnen nun vorlegen will. Der Weltverband betonte in einer Mitteilung, dass dieses Verfahren „keine Auswirkungen“ auf die Weltmeisterschaften im August in London haben werde.

Demnach könnte Olympiasiegerin Caster Semenyaa auch an der Themse auf Erfolgskurs gehen.

Anita Zolles, science.ORF.at

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