Forscher streiten über Affensprache

Affen können nicht sprechen, weil ihr Vokaltrakt nicht passt: Diesem „Gassenhauer“ der Tieranatomie hat vor Kurzem der Wiener Biologe Tecumseh Fitch widersprochen. Kritik daran übt nun ein US-Forscher: Der Streit geht weiter.

Tecumseh Fitch, Kognitionsbiologe an der Universität Wien, hat die stimmbildenden Organe wie Kehlkopf, Zunge und Lippen von lebenden Makaken ganz genau untersucht und dabei herausgefunden, dass der Vokaltrakt der Tiere um einiges flexibler ist als bisher angenommen.

In Simulationen beobachtete er mit Kollegen, dass die Affen fünf Selbstlaute perfekt verständlich artikulieren können. Nicht darunter war aber etwa der Laut „i“. Trotzdem gäbe es tausende Worte, die sie auf Englisch oder Deutsch bilden könnten, sagte der Forscher.

Mit Hilfe des Computers haben die Forscher das theoretische Vermögen der Makaken dann akustisch simuliert. Anhand des Beispielsatzes „Will you marry me?“ konnte man nachhören, wie die „Affensprache“ klingen würde.

Audio: Künstliche Affenstimme sagt „Will you marry me?“

Es läge also an den fehlenden kognitiven Fähigkeiten - und nicht an der falschen Anatomie, dass Affen nicht miteinander tratschen, folgerten Fitch und Kollegen in ihrer im Dezember 2016 erschienenen Studie. Sie waren der Meinung, die „nervigen Behauptungen“ und „hartnäckigen Annahmen“ vom sprachunfähigen Vokaltrakt der Affen, die auf Untersuchungen von toten Tieren fußten, seien nun „endgültig aufgeklärt“ und würden aus den Lehrbüchern verschwinden.

Tecumseh Fitch mit Affen

Universität Wien

Kognitionsbiologe Tecumseh Fitch mit Totenkopfaffen

Menschen nahmen großen Nachteil in Kauf

Dem ist wohl nicht der Fall. In einem aktuellen Artikel kritisiert Philip Lieberman von der Brown University in Providence (USA) die Schlussfolgerungen von Fitch und Co. heftig. Er hat bereits vor über vier Jahrzehnten Gipsabdrücke der Mundhöhle von toten Rhesusaffen untersucht und war zu dem Schluss gekommen, dass die Tiere - vermutlich genauso wie andere Primaten - schlicht nicht genug Laute produzieren können.

Ohne „Quantenvokale“ wie „i“ sei eine Artikulation nicht „robust genug“ für das tägliche Leben und ähnle nicht der Menschensprache, schreibt Lieberman im aktuellen Artikel. Bei den Menschen sei eine eigene Evolution des Sprachapparats nötig gewesen, damit sie so reden können wie heute.

Weil die Sprache für Menschen extrem wichtig ist, hätte ihre Evolution sogar einen großen Nachteil in Kauf genommen: Nämlich, dass Essen oder Trinken auch in die Atemwege gelangen können, was immerhin die vierthäufigste Ursache für Unfalltod in den USA ist.

Kritik und Gegenkritik

Freilich haben sich die Sprachorgane bei den Menschen weiterentwickelt. Außerdem hätte man nie behauptet, dass eine hypothetische Affensprache jener der modernen Menschen gleicht, entgegnen Fitch und Kollegen im selben Heft.

Von Lieberman als Quantenvokale bezeichnete Selbstlaute mit „extremer Aussprache“ wie „i“ seien bei menschlichen Sprachen zwar verbreitet, aber nicht universell vorhanden. Die Affen hätten auch ohne diese Töne genug anatomische Möglichkeiten für ein großes Vokabular an gut unterscheidbaren Wörtern. Die Ergebnisse ihrer Studie seien weiterhin gültig.

science.ORF.at/APA

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