Spielerische Mathematik im Kindergarten

Mit einfachen Spielen mathematische Grundkenntnisse im Kindergarten verbessern: Das haben Psychologinnen erfolgreich in Indien ausprobiert. Die Wirkung hielt allerdings nicht sehr lange an.

Seit Jahren sorgt die PISA-Studie in Österreich für großen Unmut. Nach dem großen Absturz 2009 verbesserten sich die Ergebnisse des internationalen Bildungsvergleichs bei der bisher letzten Erhebung 2015 nur gering. Auch viele andere Länder haben noch mit schlechten Ergebnissen aus der Vergangenheit zu kämpfen.

Indien nicht mehr beim PISA-Test dabei

Die indischen Bundesstaaten Tamil Nadu und Himachal Pradesh etwa belegten 2009 in allen drei PISA-Kategorien – Leseverständnis, Naturwissenschaften und Mathematik - einen der letzten drei Plätze. Seither verweigert Indien eine erneute Teilnahme am Bildungstest.

Laut indischem Bildungsministerium eignen sich die Fragestellungen der PISA-Studie nicht für das sozio-kulturelle Milieu von Indien. Armut und ein starker Bildungsmangel in der Bevölkerung machen es hier schwer mit modernen Ansätzen Schritt zu halten. Ein Team um die Psychologin Moira Dillon von der Universität Harvard hat nun einen neuartigen Lehrplan entwickelt, der indischen Kindern helfen soll, die Bildungshürden spielerisch zu überwinden.

Umfangreicher Feldversuch

In über 200 indischen Kindergärten wurden im Zuge der Studie 1.540 Kinder im Alter von durchschnittlich fünf Jahren betreut. Drei Stunden in der Woche spielten die Kinder mathematische Spiele: Sie schätzten dabei u. a. Mengen aus Punkten ein und verbesserten das Abzählen von Karten.

Eine wichtige Rolle spielten dabei die Aufsichtspersonen, zum Großteil junge Frauen ohne Hochschulabschluss. Nach einer kurzen Schulungsphase hatten sie die Aufgabe, die Kinder vier Monate lang zu betreuen und dabei den Spielablauf sowie die Fortschritte der Kinder genauestens zu dokumentieren.

Aufbau und Inhalt der Spiele basieren auf aktuellen psychologischen und kognitiven Theorien. Sie sollen eine positive Auswirkung auf das mathematische Verständnis haben. Vergleichbare Feldversuche und länger andauernde Beobachtungen wurden laut Studienautoren bisher jedoch noch nie durchgeführt.

Resultate überraschend gut

Vor Studienbeginn legten die Kinder Tests zur Leistungsbeurteilung ab. Sie dienen als Referenzwert und halten fest, wie sich die mathematischen, geometrischen und sozialen Kompetenzen der Kinder entwickeln. Drei Monate nach dem Start des Projekts zeigten sich bereits erste deutliche Unterschiede.

Die „Spielgruppe“ war bei einem Geometrietest etwa um zehn Prozent besser als Kontrollgruppen. Positive Folgen zeigten sich noch ein Jahr nach der spielerischen Intervention. Vergleichbare pädagogische Starthilfen sorgten bisher nur kurzzeitig für merkbare Verbesserungen.

Lehrstil verhindert dauerhafte Erfolge

Aber: Wirklich nachhaltig war der Erfolg auch mit den aktuell verwendeten Spielen nicht. Im ersten Jahr Volksschule verschwanden die Vorteile der „Spielgruppe“, sie lernten also nicht leichter Zählen oder Rechnen. Die Studien-Koautorin Esther Duflo macht dafür vor allem die Umsetzung des derzeitigen Lehrplans an indischen Volksschulen verantwortlich.

Ihr zufolge wird dabei zu stark auf Routine und Auswendiglernen gesetzt. Besonders im Bereich Mathematik sei es jedoch wichtig, dass Inhalte nachvollziehbar vorgetragen und von den Kindern verstanden werden. Die Forscher hoffen mit ihrer Studie auf alternative Bildungsmaßnahmen aufmerksam zu machen.

Anita Zolles, Ö1-Wissenschaft

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