Sich unsportlich zu fühlen ist ungesund

Sich genug zu bewegen reicht nicht. Glaubt man einer aktuellen Studie, sollte man sich auch entsprechend fühlen. Denn Menschen, die sich als eher unsportlich empfinden, sterben statistisch früher.

Bewegung ist gesund. Ob man mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt und täglich Treppen steigt oder ob man regelmäßig ins Fitnessstudio geht - wie man sich bewegt, bleibt letztlich egal. Was rein körperlich zählt, ist die Summe der Aktivitäten. In der Selbstwahrnehmung kommt das allerdings oft anders an.

Diese Erfahrung hat auch Octavia Zahrt von der Stanford University gemacht. Als die Psychologin an die US-amerikanische Universität wechselte, fühlte sie sich plötzlich total unsportlich und ungesund, obwohl sie täglich mit dem Rad fuhr. Aber ihre Kolleginnen und Kollegen gingen alle regelmäßig zum Sport und erschienen ihr unglaublich aktiv.

Einstellung zählt

Bei Alia Crum vom Stanford Mind and Body Lab hörte sie dann das erste Mal davon, dass ihr negatives Selbstbild ziemlich kontraproduktiv sein könnte. Frühere Studien von Crum hatten nämlich ergeben, dass der gesundheitliche Nutzen von körperlichen Aktivitäten auch von der Einstellung abhängt.

Dabei hatte sie beispielsweise dem Putzpersonal eines Hotels erklärt, dass sie durch ihre berufliche Tätigkeit eigentlich ausreichend Bewegung haben. Das Ergebnis: Die Raumpfleger, die sich zuvor häufig als unsportlich beschrieben hatten, verloren plötzlich an Gewicht und Körperfett, ihr Blutdruck sank.

Falsches Selbstbild

In ihrer neuen Studie haben die beiden nun gemeinsam untersucht, ob das negative Selbstbild auch langfristige Folgen haben könnte. Dafür haben sie drei US-Datensätze mit insgesamt mehr als 60.000 Teilnehmern ausgewertet, für die von 1990 bis 2006 Gesundheitsangaben erhoben wurden. Ab 2011 wurde zusätzlich erfasst, wer in der Zwischenzeit verstorben war. Die Auswertung ergab: Für jene, die sich während der Studie eher unsportlich fühlten, war die Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren zu sterben um 71 Prozent höher.

Dass sich die meisten von ihnen in Wirklichkeit genauso viel bewegt hatten wie die vermeintlich sportlicheren Probanden, hatte anscheinend keinen Einfluss; andere Gesundheitsfaktoren wie Übergewicht oder Krankheiten wurden herausgerechnet. Die Aktivität war bei zwei Studien mittels Fragebogen erhoben, bei einer sogar elektronisch aufgezeichnet worden. Laut den Forscherinnen haben viele ein falsches Bild von sich, weil sie nur „echten“ Sport wie Laufen oder Schwimmen für sportlich halten. „Dass man sich z.B. auch im Haushalt häufig sehr viel bewegt, wenn man putzt oder die Kinder herumträgt, wird gern übersehen“, so Zahrt in einer Aussendung.

„Gesundes“ Denken

Natürlich handle es sich bei den Studienergebnissen um eine rein statistische Korrelation, betonen die Autorinnen. Aber die vorangegangenen Experimente von Crum legen nahe, dass das falsche Selbstbild zumindest eine gewisse Rolle spielt. Wie aber kann die Wahrnehmung eine derartig starke körperliche Wirkung entfalten? Eine Möglichkeit wäre ein Placebo-Effekt. Also ähnlich wie bei einem Scheinmedikament könnten Menschen davon profitieren, dass sie denken, sie machen ausreichend Bewegung, vermuten die Forscherinnen.

Gleichzeitig könnte der Gedanke, nicht genug Sport zu treiben bzw. für sich zu tun, Stress erzeugen oder depressiv machen. Im Allgemeinen sei es aber wenig überraschend, dass unser Denken und unsere Haltungen körperliche Wirkungen haben - wenn uns z.B. etwas aufregt, beginnen wir auch zu schwitzen und das Herz klopft schneller.

„Für ein gesundes und langes Leben braucht es nicht nur ein gesundes Verhalten, sondern auch ‚gesundes‘ Denken“, so Crum. Und das funktioniere unter anderem, indem wir etwas weniger streng zu uns sind: Man muss sich nicht unbedingt im Fitnessstudio quälen. Es reicht, wenn man Stiegen steigt, zu Fuß zur Arbeit geht oder die Wohnung putzt und - das ist entscheidend - sich gut dabei fühlt.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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